Rapid, die Nummer 2 in Wien?
Ein Rückblick auf die Zeit seit 1960 ist etwas ernüchternd, denn Rapid hat in diesem Zeitraum 11 Meister- und 10 Cuptitel geholt, aber unsere Freunde vom Verteilerkreis 18 Meister- und 17 Cuptitel. Das ist keine zufällige Streuung mehr, das ist deutlich.Es wäre daher für einen Blick in die Zukunft günstig, sich zu fragen, warum es zu diesem ungleichen Kräfteverhältnis kommt.
Die Infrastruktur, die Besucherzahlen, das Spielermaterial usw. können es nach meiner Ansicht nach nicht sein, denn in diesen Belangen würde ich Rapid eher vor den Verteilerkreis reihen.
Es muss daher etwas anderes sein. Es muss ein Element sein, dass sich durch die gesamte jüngere Vereinsgeschichte zieht. Und das gilt es, in Zukunft zu beseitigen.
Theorie 1: Rapid ist traditionell eher der Sozialdemokratie nahe stehend. In diesem Umfeld werden aber rigorose Personalentscheidungen weniger goutiert. Man wundert, ja amüsiert sich oft über die zahlreichen Trainerwechsel und auch Organisationswechsel bei anderen Vereinen und ist sogar ein bisschen stolz auf die Kontinuität. Es kann aber sein, dass man bei Rapid einem Trainergespann in schlechten Zeiten zu viel Zeit gibt und dadurch an Terrain (in der Tabelle) verliert.
Theorie 2: Die Organisation des Vereins ist vielleicht auch ohne den obigen „sozialen Aspekt“ zu schwerfällig. Was es da für Gremien gibt:
8 Personen Präsidium
43 Personen Kuratorium
11 Personen Vorstand
Die eigentliche „Kampfmannschaft“ ist da noch gar nicht vertreten mit Sportdirektor Hörtnagel, Marketingchef Kuhn, Trainer Pacult + Assistenten, Scouts (wer sind die eigentlich?), Andy Marek&Team.
Theorie 3: Bei Grundsatzfragen der Spielerverpflichtung gibt es bei Rapid Kriterien, die dazu führen, dass ursprünglich gute Spieler sich bei Rapid „ausruhen“.
Spieler sind ehrgeizig. Rapid ist der attraktivste Verein. Daher wollen viele Spieler zu Rapid. Das ist ihr Ziel. Dort angekommen, haben sie alles erreicht, was sie eigentlich angestrebt haben. mehr wollen sie nicht. Rapid braucht daher Spieler, die mehr wollen als nur bei Rapid zu spielen. Man braucht Spieler, für die es eine „Zeit nach Rapid“ gibt, die auch in anderen Ligen spielen wollen. Die werden dann tatsächlich bei Rapid „alles geben“. Paradebeispiel: Hoffer, Maierhofer. Das Scouting müsste daher (natürlich nur, wenn diese Theorie stimmt) die eigentlichen Motive der Spieler verstehen lernen. Auf die Gretchenfrage bei Bewerbungen „Warum wollen Sie bei uns arbeiten?“ hat jeder eine passende Antwort in der Tasche; die Aufgabe der Rekrutierung ist es aber, die eigentliche Motivation herauszufinden.
Ich meine nicht, dass die Spieler absichtlich schlecht spielen aber wenn das gesteckte Ziel „Rapid“ war und sie haben es erreicht, dann können sie sich anderen – zum Beispiel privaten – Zielen widmen, mit dem Effekt, dass Rapid dabei zu kurz kommt.
Wenn es der Vereinsführung also wirklich darum geht, die „Nummer 1 in Wien“ zu sein, dann muss sie mit Rücksicht auf die historischen Fakten etwas verändern – eventuell auch bei sich selbst.