Drei-Punkte-Regel und das Päpstliche am Fußball
Die Fifa hat ab der Saison 1995/96 die Drei-Punkte-Regel eingeführt, d.h. für einen Sieg wurden nicht mehr zwei sondern drei Punkte vergeben. Die Absicht war, Anreize für Offensivfußball zu bieten.Christoph Biermann berichtet in seinem Buch „Die Fußball Matrix“ auf Seite 77, dass bis zur Saison 1994/95 im Schnitt etwa 3 und mehr Tore pro Spiel gefallen sind, dass diese Grenze aber nach Einführung dieser Regel nie wieder überschritten wurde. Biermann berichtet weiter, dass die Anzahl der Tore pro Spiel in den großen Ligen bis auf einen Wert von 2.1 Toren pro Spiel fiel, nur in der Bundesliga war der Wert noch auf etwa 2.7.
Das heißt, die Einführung der Drei-Punkte-Regel brachte gerade das Gegenteil des gewünschten Effekts. Die Mannschaften versuchten vielmehr, die Defensive zu stärken. Wenn man daher ein bestimmtes Verhalten belohnt, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass die eigenen Anstrengungen verstärkt werden, sondern es kann auch bedeuten, dass die Bemühungen des Gegners sabotiert werden. Und genau das geschah durch die Drei-Punkte-Regel.
Auswirkung der Drei-Punkte-Regel bei Spielen von Rapid
Die Zahlen in Biermanns Buch waren Anlass, die Torquote für Rapid-Spiele zu ermitteln. Hier das Ergebnis:Bis 1995 fielen 3.2 Tore pro Spiel und nach 1995 nur mehr 2.8 Tore, das entspricht also ziemlich genau den internationalen Werten. http://rapid.iam.at/statistics.aspx?id=perf&id1=POINTSFORWIN&p=&pmode=2&pview=0
Da es sich bei einer einzelnen Mannschaft bei diesen Schwankungen auch um individuelle Leistungsschwankungen handeln kann, sollte man versuchen, den Effekt der Leistungsschwankungen herauszurechnen.
Zwischen 1980-1995 wurden 1.89 Punkte pro Spiel und 1995-2009 1.68 Punkte pro Spiel erspielt. Das ist eine Abnahme 0.21 Punkten oder 11 Prozent. Im selben Zeitraum wurden 2.1 Tore pro Spiel geschossen und 1995-2009 1.7 Tore. Das ist eine Abnahme von 0.4 Toren oder 19 Prozent.
Also auch wenn man die um 11 Prozent geringere Spielstärke berück sichtigt, ergeben sich darüber hinaus immer noch eine Reduktion der Zahl der Tore um 8 Prozent.
Dazu soll noch angemerkt werden, dass die Torquote bei Spielen von Rapid in den Saisonen 2008/09 und 2009/10 deutlich über der von Biermann angegebenen magischen Grenze von 3 Toren liegt. Das ist ein außergewöhnlich hoher Wert und wurde 2008/09 nur deshalb nicht durch einen Meistertitel belohnt, weil gleichzeitig Salzburg mit den 40 Toren von Marc Janko Rapid knapp überholt hat.
2008/09: 3.7 Tore pro Spiel (2.4 Tore von Rapid, 1.4 Tore des Gegners)
2009/10: 3.5 Tore pro Spiel (2.4 Tore von Rapid, 1.1 Tore des Gegners), Stand 22. Dezember 2009
http://rapid.iam.at/statistics.aspx?id=perf&id1=SEASON&p=200&pmode=2&pview=0
Die FIFA und der Papst
Eigentlich hätten bei den FIFA-Verantwortlichen die Alarmglocken schrillen müssen. Das war aber nicht der Fall; vielmehr hat man versucht, diese Entwicklung durch das bessere Training, die bessere Taktik und anderswie zu erklären. Nachdem aber durch wissenschaftliche Arbeiten aus dem Bereich der Spieltheorie (siehe Biermanns Buch) die ungünstige Wirkung der der Drei-Punkte-Regel klar dargelegt wurde, sollte die FIFA diese Regel umgehend wieder durch die frühere Regelung ersetzen, eventuell ergänzt durch andere Motivatoren*). Das aber geschieht nicht.Diese Haltung erinnert stark an die Unfehlbarkeitsthese des Papstes in der katholischen Kirche oder des Zentralkomitees einer kommunistischen Partei. Und der Grund ist da wie dort der undemokratische Aufbau dieser Organisationen und leider auch der FIFA oder des ÖOC und anderer sportlicher Dachverbände. Diese Organisationen unterwerfen sich selbst nicht einer Falsifikation durch einen Wahlmechanismus und daher wenden sie ihre eigene Unverrückbarkeit auch auf ihre Entscheidungen an. Einmal getroffene Entscheidungen sind einbetoniert.
Die Sommerzeitregelung lässt grüßen. Niemand braucht sie mehr, der Energieeinsparungseffekt ist marginal, die Regelung kostet viel mehr als sie bringt, jedenfalls bringt sie Ärger. Und dennoch besteht sie.
Das Gute an der Sache
Da man aber auch dem größten Übel eine gute Seite abringen kann, ist das auch bei dieser Entwicklung der Fall. Die geringe Torquote im Fußball hat auch seine Vorteile, denn die enthält auch eine größere Unvorhersagbarkeit eines Ergebnisses. So mancher Favorit hat mit einer knappen Niederlage ein Spiel verloren, weil bei wenigen Toren auch bei stark unterschiedlicher Spielstärke es eine reelle Chance gibt, dass auch einmal der Underdog als Sieger vom Platz geht. Ein typisches Beispiel dafür war die EM in 2004 in Portugal und der damalige Gewinner Griechenland.Wenige Tore erhöhen die Chancen für die schwächere Mannschaft, was gerade die Statistik der Rapid-Spiele deutlich zeigt. Die Tore der Gegner blieben vor und nach Einführung der Drei-Punkte-Regel gleich mit 1.1 Toren pro Spiel. Die Anzahl der Tore von Rapid hingegen sind von 2.1 auf 1.7 zurück gegangen. Die Siegchance der Gegner ist gestiegen, das Spielergebnis wird weniger gut voraussagbar.
John Wesson analysiert diesen Effekt präzise in seinem Buch „Fußball – Wissenschaft mit Kick“ ab Seite 99, „Tore schießen“. Die Aussage ist kurz: Je weniger Tore fallen, desto höher ist die Siegwahrscheinlichkeit für das schwächere Team.
*) Es wird getestet, die beiden Begegnungen zweier Mannschaften einer Meisterschaft als eine KO-Runde zu betrachten, in der es einen Sieger geben muss, der dann einen Extrapunkt erhält.