Eine 8:2-Niederlage von Arsenal und kein Platzsturm
„Eine 8:2-Niederlage von Arsenal und kein Platzsturm“, das waren etwa die Schlussworte von Gerhard Niederhuber beim Treffen mit dem Trainerteam beim Klub der Freunde des SCR.Man sieht, dass die sehr sachliche und interessante Diskussion rund um die neuen Trainer dem Thema „Platzsturm“ nicht ausweichen konnte.
Aber da gerade England als ein Musterland der Fan-Disziplin hingestellt wurde, möchte ich das durch meine eigenen Eindrücke beim Besuch englischer Stadien ergänzen.
Ja, das englische Publikum, wie man es heute erlebt, ist tatsächlich eine Art Musterknabe in Sachen Disziplin. Ein Zuruf eines Ordners genügt, und der wird auch sofort befolgt. In einem englischen Stadion erlebt man eine sehr disziplinierte heile Welt.
Das war aber nicht immer so. Vor etwa 25 Jahren waren englische Fans gefürchtet. Tragische Unglücke in Belgien, Heysel und England, Hillsborough mit Beteiligung radikaler englischer Fans änderten die Einstellung der Vereine gegenüber ihren Anhängergruppen, die dazu führten, dass radikale Gruppen aus dem Stadion gedrängt wurden und nur mehr der „pflegeleichte“ Kommerzfan zurück blieb.
Wenn man nun als Tourist, durch die Gegenden um die großen Stadien wandert, wie zum Beispiel, City Stadion in Manchester, Anfield und Everton in Liverpool, Trinity Road in Birmingham, Westham oder Tottenham in London, dann hat man den Eindruck, dass die Menschen, die in diesen Gegenden leben, nicht gerade zu den Stadionbesuchern gehören. Die Preise der Eintrittskarten passen nicht zu den oft sehr verwahrlosten Siedlungen.
Dafür konnte man in den vergangenen Jahren immer wieder hören, dass es zwischen jugendlichen Banden zu Gewaltexzessen kam und Morde zwischen Jugendlichen an der Tagesordnung waren. Dass schließlich im heurigen Sommer diese Brutalität in diesen Vorstädten offen ausgebrochen ist, kann auch eine Folge dieser seinerzeit eingeleiteten Abweisung des problematischeren Publikums aus den Stadien gewesen sein.
Dazu muss man ergänzen, dass in England Fußball einen viel größeren Stellenwert hat als bei uns. Und dass die Vorstadtjugend heute durch kommerzielle Barrieren vom Besuch der Stadion ausgeschlossen ist, steigert den Frust und die Perspektivlosigkeit noch mehr.
Ich behaupte daher, dass die Ausgrenzungspolitik der 80er Jahre, die ganze Bevölkerungsschichten aus den Stadien gedrängt hat, eine Facette im Frust der Kinder dieser damaligen Generation ist.
Meine Schlussfolgerung aus dem Platzsturm am 22.5. wäre daher, keine Stadionverbote auszusprechen und stattdessen durch ein kollektives Bemühen (Heranführung der Randgruppen an das Vereinsgeschehen, Verpflichtende Übernahme von Arbeiten im Verein wie zum Beispiel Servieren im VIP-Bereich, Mitarbeit beim Training, Mitarbeit bei der Fanbetreuung…) für ein Mehr an gegenseitigem Verständnis zu sorgen.
Es muss uns bewusst sein, dass der Fußballsport eine sehr große Zahl völlig verschieden motivierter Besucher anzieht. Manche dieser Gruppen sind in problematisch und suchen die Anonymität der Masse in einem starken Fanblock.
Aber hier im Stadion haben sie ein Zuhause und im Normalfall gehören sie zu den durchaus willkommenen Stimmungsmachern. Was aber mehr zählt, ist ihre Integration in dieser Familie, auch dann, wenn sie der Gesellschaft problematisch erscheinen. Hier im Stadion kann man sie erreichen, hier kann man einen Dialog mit ihnen beginnen.
Denn was passiert, wenn man diesen Menschen auch noch die Perspektive dieser Rapid-Familie nimmt, das konnten wir im Fußball-Musterland England im heurigen Sommer brennen sehen.
Vielleicht ist das alles eine zu große Aufgabe für den Verein aber vielleicht ein weiterer Punkt der verstärkten Zusammenarbeit mit der Gemeinde.
Schließlich weiß man auch, dass man sich nur Freunde aussuchen kann, eine Familie aber nicht; die gehört zu Dir wie eine gute oder schlechte Angewohnheit und Du musst mit beiden leben lernen. Wenn man daher das Wort „Rapidfamilie“ strapaziert, dann darf man es nicht nur in guten Zeiten als Werbung benutzen sondern muss auch in schlechten Zeiten dazu stehen.