Wie konnte das passieren?

2012-11-11 Rapid-Wolfsberg 0:2

Gestern präsentierte sich Rapid in einem sehr schlechten Zustand und Foren und Zeitungen sind voll von Schuldzuweisungen. Geschont werden nur die jungen Spieler, die für die vielen Ausfälle ins kalte Wasser gestoßen wurden und für die diese Niederlage nicht gerade ein ermutigender Schritt in Richtung Profifußballer ist.

Ich frage mich, ob nicht die Beteiligten einfach Opfer einer sehr ungünstigen Spielphase sind, die von uns Fans viel dramatischer empfunden wird als sie es tatsächlich ist.

Gruppenphase kontra Cup-System

Erinnern wir uns an das Jahr 1995 als Rapid in den Bewerb der Cupsieger einzog. Bis zum Finale waren 9 Spiele zu absolvieren. Heute sind es 4-6 in der Qualifikation, dann 6 in der Gruppenphase und danach noch 7 Spiele bis zu Finale, also insgesamt bis zu 19 Spiele.

Im Cup-System scheidet man auf irgendeinem Niveau aus und kehrt danach zur Tagesordnung über. Dieser Bewerb ist von Siegen begleitet und irgendwann ist halt Schluss.

1995 waren es die Stationen Petrolul Ploiesti, Sportin Lissabon, Dynamo Moskau, Feyenoord Rotterdam und Paris Saint Germain. Und in diesem Finale schied man eben aus.

2012 hat man mit allergrößtem Engagement die Gruppenphase erreicht und das Entscheidungsspiel in Wien gegen Saloniki war tatsächlich sehenswert. Wäre es jetzt im KO-System weitergegangen, hätten wir vielleicht Trondheim überwunden, doch dann wäre mit Leverkusen Schluss gewesen. So aber bekommen wir Runde für Runde vorgeführt, dass uns diese Gegner leider alle überlegen sind. Das ist nicht gut für die Moral der Mannschaft. Sie ist eine Art Prügelknabe.

Das gab’s schon einmal!

Als Rapid 2005 mit Josef Hickersberger Meister wurde, kamen wir durch das „Wunder von Moskau“, verkörpert durch den Kopfball von Josef Valachovic in die Gruppenphase. Wie diese Spiele ausgegangen sind, das wissen wir: sie wurden alle verloren. Und hier ein Auszug:

2005-09-27 0:3-Auswärtsniederlage gegen Juventus Turin
2005-10-01 0:2-Auswärtsniederlage gegen Pasching
2005-10-15 2:3-Heimniederlage gegen Red Bull
2005-10-18 0:1-Heimniederlage gegen Brügge

Also auch nicht gerade rosige Zeiten, ziemlich ähnlich wie heuer. Damals hat aber niemand das Stadion verlassen obwohl wir alle ziemlich deprimiert waren, ganz ähnlich wie heute.

Und auch in der damaligen Saison, in die man als Meister gegangen ist, hat sich der Misserfolg in der Gruppenphase sehr massiv auf die Leistung in der Liga ausgewirkt. Man wurde nur Fünfter.

Was bedeutet eine Niederlage?

Von 267 Heimspielen der letzten 12 Jahre wurden 54 (20%) verloren, 60 (22 %) waren unentschieden und 153 (57 %) wurden gewonnen. Bei Spielen, die man verliert, schaut man meist schlecht aus. Also so ein Malheur ist das nun wieder nicht. Diese Niederlagen sind natürlich nicht zwingend aber der Wert von 20% ist  ein sehr abgesicherter Wert. Rapid verliert jedes fünfte Heimspiel, jedes vierte ist Unentschieden und jedes zweite wird gewonnen.

Ist unser Trainer schlecht?

Diese Frage kann man so beantworten: zählen wir die Spieler der einzelnen Trainer zusammen und bestimmen wir die Punktezahl, die sich aus diesen Spielen ergeben hat. Zum Beispiel für die letzten zwölf Jahre. Hier das Ergebnis:

TrainervonbisSpielePunkte pro Spiel
Schöttel P.20112012653116181,68
Barisic Z.20112011104241,4
Pacult P.2006201121010948531,79
Zellhofer G.200620062374121,09
Hickersberger J.200220051547038461,61
Matthäus L.200120023299141,13
Dokupil E.20002001512514121,75
Persidis P.2001200162131,17
Weber H.19982000985321241,84
Dokupil E.199419981738939451,77

Also es wurden schon erfolgreichere Trainer „gegangen“ (Beispiel: Heribert Weber, am zweiten Tabellenplatz) und erfolglosere „befördert“ (Beispiel: Josef Hickersberger).

Publikumsreaktion

Dass man aber seitens des Publikums eine Niederlage so krass bewertet, lässt uns nichts Gutes für die Zukunft erwarten. Es spielen ja keine Roboter. Jedes Schimpfwort wird gehört und registriert. Psychologie spielt eine gewichtige Rolle, ist aber schwer zu trainieren. Wir können aber alle dazu beitragen, dass es bergab geht.

Schauen wir einmal, wie wir selbst reagieren, wenn etwas nicht läuft und dann kommt noch der Chef, um das noch mit seinem weisen Kommentar zu unterstreichen.

Besonders trifft es die jungen Spieler.

Meine Befürchtung ist, dass wir im Vergleich mit den Spielen im Jahr 2005 etwas durchaus Ähnliches erleben aber unsere Reaktion ist eine andere geworden.

Diese glücklich erreichte Gruppenphase tut uns einfach nicht gut. Wenn man wo ausscheidet, das kommt vor. Wir sind schon gegen schlechtere Gegner als die derzeitigen Gegner ausgeschieden und es war eben ein Spiel, das man verloren hat. In diesem Jahr bekommen wir aber dieses Ausscheiden gleich sechs Mal präsentiert und das rüttelt am Nervenkostüm der Spieler.

Ich plädiere für ein bisschen mehr Zurückhaltung und mehr Fairness gegenüber den eigenen Spielern. Niemand spielt absichtlich schlecht aber alle werden zunehmend verunsichert, wenn’s nicht läuft und dann auch noch das ganze Stadion pfeift. Der Grund für die Niederlagen(n) muss nicht „Edlinger“ und nicht „Schöttel“ heißen. Diese eingelernten Muster der „Suche nach dem Schuldigen“, des „Buhmanns“ sollten wir ablegen und anerkennen, dass es Situationen gibt, die wir einfach nicht beherrschen; einfach ein unglückliches Zusammentreffen mehrerer Kleinigkeiten
  • Erfolglosigkeit im internationalen Bewerb, 
  • gleichzeitiger Ausfall mehrerer Leistungsträger, 
  • junge Spieler können nicht behutsam eingebaut werden und werden ins kalte Wasser gestoßen, 
  • ein gut eingestellter motivierter Gegner und der wichtigste: 
  • „Wir sind RAPID – und wer sei ihr?“ ist ja ein netter Spruch aber allzu oft vorgetragen glauben ihn vielleicht auch die Spieler und meinen, es würde genügen, bei RAPID zu sein, um besser zu sein, statt es wöchentlich aufs Neue beweisen zu müssen; also eine Art Überheblichkeit, die wir selbst ihnen suggerieren).

Was sich daher geändert hat, ist nicht das Spielglück oder die individuellen Fähigkeiten, sondern die Geduld des Anhangs.

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