Zufall oder Willkür

Vieles im Fußball kann man lernen oder trainieren, wie zum Beispiel die Kondition, die Technik, die Ausdauer. Man kann Teambuilding betreiben, um das Kollektiv und das Mentale zu stärken.

Aber es gibt Dinge, die weniger greifbar ist, die man gerne als „Lauf“ bezeichnet. Zufälligkeiten, die alle in eine positive Richtung weisen, wie zum Beispiel drei Elfmeter in einem Spiel, Tore in letzter Minute und eine günstige Auslosung.


„Wonns laft, donn laft’s!“

Eigentlich geht dieser Spruch auf Rudi Nierlich, den erfolgreichen Skirennläufer zurück, aber es gibt dieses Element in praktisch allen Lebensbereichen. Es beschreibt eine von Erfolgen begleitete Lebensphase, die einerseits sehr erfreulich ist aber oft nur unzulänglich erklärt werden kann.

Und es ist schwer, sich von dem Gegenteil davon, einem Leistungstief, hochzuarbeiten.

Beispiel: eine Mannschaft gerät 0:1 in Rückstand. Statistisch gesehen ist das ein schlechtes Zeichen, denn in fast 60% der Fälle geht dieses Spiel verloren und nur in etwa 40% kann man noch einen Punkt retten oder gar gewinnen. 

Das sagt aber gar nichts über ein konkretes Spiel aus. Wenn man aus dem Rückstand heraus den Anschlusstreffer schafft, dann ist das „Momentum“, wie die Kommentatoren heutzutage gerne sagen (warum sie nicht einfach „Schwung“ sagen, weiß man nicht) auf unserer Seite und ein Sieg (ausreichende Spielzeit vorausgesetzt) ist mit diesem Schwung noch möglich. Das Speil wird „gedreht“.

Aber sicher ist nichts, besonders im Fußball.

Meister Zufall spielt beim Fußball auf allen Ebenen und in allen erdenklichen Facetten mit.

Es ist nicht egal, wann man auf welchen Gegner trifft. Jeder, der die erfolgreiche Frühjahrssaison von Rapid miterlebt hat, ist sicher: Helsinki würde uns heute nicht passieren. Das Spielniveau im Sommer 2014 war leider noch nicht stabil genug. 

Und auch der Start ist wichtig, fast wie im Skilauf

Der Start in die Herbstsaison begann mit einem Debakel, 1:6 gegen Salzburg, der Start in die Frühjahrssaison mit einem sensationellen Erfolg, einem 2:1-Erfolg gegen Salzburg. 

Diese beiden Start-Spiele in die jeweiligen Saisonhälften Herbst und Frühjahr sind geradezu symbolische Abbilder der Saisonleistung. Während Rapid in der Herbstsaison 6 Spiele verloren hat (und im Eröffnungsspiel 6 Gegentreffer erhalten hat), wurde in der Frühjahrssaison nur ein Spiel verloren (und im Eröffnungsspiel auch nur einen Gegentreffer kassiert). Natürlich ist das ein Zufall aber wer erinnert sich nicht an den fußballerisch langweiligen Jänner, den man als Rapid-Anhänger und wohl auch als Spieler in einer sehr positiven Stimmung erlebt hat, einer Stimmung, die man aus diesem letzten so erfolgreichen Spiel im Dezember mitgenommen hat. 

Es ist nicht egal, wann, welches Spiel stattfindet.

Ein Erfolg in einer schwierigen Phase wirkt sich auf das Selbstvertrauen der ganzen Mannschaft aus und wohl auch auf die Stimmung der Fans. Und wie man an der Auswärtstorregel sieht, ist auch die Reihenfolge bei KO-Duellen von großer Bedeutung.

Die Abfolge der Bewerbspiele hat auch einen Einfluss auf den Ausgang der Meisterschaft.

Das erscheint ziemlich trivial.

Wenn aber auf die Reihung der Spiele immer in einer ganz bestimmten Art  Einfluss genommen wird, dann ist das Ergebnis nicht nur einfach anders, sondern es tendiert zu einer bestimmten Abfolge der Leistungsreihenfolge eben durch die Einflussnahme.

Stell Dir vor, Schüler einer Klasse werden immer in der Reihenfolge des Alphabets mündlich geprüft. Wenn die mit dem Anfangsbuchstaben „L-Z“ auch nur ein bisschen aufpassen, dann müsste ihr Notenschnitt deutlich besser sein als der jener der Anfangsbuchstaben „A-K“, weil die Stoffmenge begrenzt ist und bis zum K die meisten Fragen bereits einmal gestellt wurden.

Was muss man also tun? Die Schüler müssen in einer zufälligen Reihenfolge drankommen, damit man sich auf so eine Regel nicht verlassen kann und immer mitlernen muss und jeder zufällig einmal das Pech hat, eine Frage als Erster gestellt zu bekommen.

Und genau dasselbe muss man auch im Fußball tun. Man muss dafür sorgen, dass die Abfolge der Spiele zufällig ist und nicht durch Willkür bestimmter Interessen unterworfen ist.

Auslosung

Wenn am 17. Juli die Auslosung für die Gruppenphase erfolgt, wird wohl Rapid für alle gesetzten Teams ein Wunschgegner sein und der Vorteil von Rapid ist allein, dass man auf Grund der geringen UEFA-Punktezahl unterschätzt wird. Umgekehrt wünscht sich Rapid einen attraktiven aber schlagbaren Gegner. Wird alles nicht leicht zu erfüllen sein.

Solange der Zufall Regie führt, akzeptieren wir diese Entscheidung, weil wir sicher sind, dass er, der Zufall (und nicht das Interesse eines Konkurrenten, des Veranstalters…) entscheidet. Wenn Rapid also zum Beispiel Brügge zugelost bekommt, dann spielt Rapid als Nummer 100 gegen die Nummer 17 gemessen am Team-Koeffizient. (Link)

Diese Auslosung wird deshalb akzeptiert, weil der Vorgang klar definiert ist und öffentlich ist und von allen Betroffenen kontrolliert werden kann. 

Willkürliche Festlegung

Die Auslosung der Spiele der österreichischen Bundesliga ist aber nicht öffentlich und daher ist die Abfolge der Spiele nicht zufällig. Die Paarungen werden willkürlich festgelegt und diese Festlegungen werden von den Interessen der Fernsehanstalten, der Werbewirtschaft, der Organisation, der zahlenden Zuschauer und auch vom Willen der Bundesliga gesteuert. 

Auch wenn man diese verschiedenen Interessen in der Priorität andersherum reiht, es bleibt bei willkürlichen Festlegungen und Meister Zufall kommt erst ganz zum Schluss – wenn überhaupt – an die Reihe, eine Einteilung zu treffen.

Benachteiligungen heben sich mit der Zeit auf

Es gibt eine gerne erwähnte Eigenschaft zufälliger Ereignisse, die sich auf Fußball-Mannschaften beziehen, dass sich gewisse Benachteiligungen im Lauf der Zeit aufheben, weil einmal die eine und dann die andere Mannschaft bei Entscheidungen aller Art (Terminfestlegungen, Schiedsrichterentscheidungen usw.) betroffen ist.

Leider gilt das aber nur, wenn
a. man dem Zufall lang genug Zeit lassen kann und
b. diese Ereignisse wirklich zufällig sind

Beides trifft im Fußball nicht zu. Spiele dauern nur 90 Minuten, Saisonen nur 36 Runden und wenn Schiedsrichterentscheidungen eine Tendenz zeigen (zum Beispiel Ausschlüsse Schörgenhofer), dann sind diese Fehler nicht zufällig sondern können sich zuungunsten einzelner Teams häufen. 

Willkürliche Festlegungen können Ergebnisse einer ganzen Saison beeinflussen

Das Eröffnungsspiel RB-Rapid am 19.7.2014 sollte die Saison mit einem möglichst attraktiven Spiel starten und das Publikumsinteresse wecken. Ja, das ist gut für die Liga aber dieses Spiel kam für Rapid eindeutig zu früh. Während die Bullen eine eingespielte Mannschaft aufbieten konnten, war Rapid mit der Neugestaltung des Kaders beschäftigt und prompt setzte es eine deutliche Niederlage.

Natürlich könnte es auch bei einer völlig zufälligen Anordnung der Spiele zu dieser Paarung am Saisonbeginn kommen. Aber in diesem Fall wäre das Verfahren transparent und man muss es hinnehmen, wie es eben kommt. Und im nächsten Jahr ist es dann anders.

So aber muss man sich aber wünschen, dass bei allen diesen Festlegungen dem Zufall mehr Raum gegeben wird, damit eben das Pech, unvorbereitet in ein schweres Match zu gehen, zufällig auch einmal eine andere Mannschaft trifft.



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