An die Unzufriedenen
Wir hören oft, dass die Ergebnisse von Rapid die Folge von „Unfähigkeiten“ der Akteure wären, und das käme anderswo nicht vor. (So hört sich das bei den Zuschauern an.)
Nachdem in den Sozialen Netzen Spieler und Trainer von Rapid nach dem Unentschieden in Wolfsberg (nach 2:0 Führung zur Pause) wieder einmal schlecht weggekommen sind, kann ich es mir nicht verkneifen, nach diesem Fußballfest vom Donnerstag (Liverpool-Dortmund 4:3) eine Parallele zu ziehen:
Schaut Euch einmal folgendes Bild an:
Es ist der Torjubel nach dem frühen Tor in Wolfsberg durch
Tomi.
Wer hätte bei dem Pausenstand von 2:0 für die Auswärtsmannschaft noch an ein Erfolgserlebnis der Heimmannschaft geglaubt? Dieses Gefühl hatten nicht nur die Zuschauer. Spieler und Trainer von Rapid und Dortmund haben das wahrscheinlich auch so empfunden. Und Hier wie Dort war man sicher auf der Hut und Hier wie Dort hat es nichts genützt. Man entkommt diesem Gefühl, dass man schon „durch“ ist, nicht. Und dieses kollektive Verständnis einer Situation hat wahrscheinlich mehr Einfluss auf das Geschehen, als man es glauben würde.
Weder im Lavanttal noch an der Anfield Road hätte das jemand geglaubt. Aber die Unwägbarkeiten des Fußballs machen das möglich.
Und nach Abpfiff waren die Spieler von Dortmund am Donnerstag genau so fassungslos wie die Spieler von Rapid am Samstag.
Ich schlage vor, weder die einen noch die anderen zu beschimpfen – wie das leider in unseren Breiten oft geschieht.
Die Leistung besteht – wie wir hoffentlich alle wissen – nicht im Ergebnis, das liegt allein schon das der Definition von „Leistung“.
Ein Tor ist keine Leistung
Leistung ist der Aufwand an Energie in einer bestimmten Zeit. Das ist zum Beispiel das Laufpensum der Spieler oder unser Einsatz bei einem Stadionbesuch. Aber die Spieler würden sich nicht um den Hals fallen, nur weil sie zehn Lauf-Kilometer abgespult haben. Es verfällt ja auch niemand in Euphorie, wenn er sich einen Tag lang für eine Prüfung vorbereitet hat.
Aber schauen wir auf den Tag der Prüfung. Wir haben uns vorbereitet, so gut es möglich war (das war die Leistung) und dennoch kann es jedem von uns passieren, dass er die Prüfung nicht besteht oder aber auch sehr gut besteht. Trotz identischer Vorbereitung. Das hat viel mit Glück zu tun; mit der Zufälligkeit der Fragenauswahl, mit kleinen Irrtümern bei den Antworten, die als Fehler geahndet oder nicht geahndet werden, mit Nervosität usw.
So ist das auch bei einem Fußballspiel. Eine Mannschaft greift an, bis sich die Gelegenheit zu einem Torschuss ergibt. Aber wir wissen schon aus dem gut reproduzierbaren Training, dass es nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg gibt, auch bei
Ronaldo.
Es ist wie beim Würfeln, es gibt vor jedem Wurf (Torschuss) eine vorgegebene Wahrscheinlichkeit, zu reüssieren. Der Unterschied zum reinen Zufall des Würfelns ist aber, dass es – um im Fußball „würfeln“ zu können (also in einem Spiel probieren zu können, ein Tor zu schießen) man vorher eine enorme Leistung hat zeigen müssen, bevor man überhaupt in diese Situation des Torschusses kommt. Und ob dieser Einsatz an Leistung vom König Zufall belohnt wird, das steht sozusagen „in den Sternen“.
Darum ist es eine große Freude, eine Prüfung zu bestehen oder ein Tor zu erzielen! Und daher dieser spontane Torjubel der Spieler und Trainer nach einem Torerfolg. Weil eben der Erfolg keine ausgemachte Sache ist, trotz größter vorangegangener Anstrengung.
Was ist das Tor dann?
Beobachten wir einmal Spieler beim Training. Der Trainer gibt eine Situation vor, die mit einem Torschuss abzuschließen ist. Ohne Gegner. Das Ziel ist immer, ein Tor zu erzielen. Und wie viele der Schüsse fängt der Tormann, wie viele gehen daneben oder an die Stange. Nur ganz wenige Schüsse landen im Tor.
Allein diese Situation „ohne Feindeinwirkung“ zeigt uns, dass nur ein kleiner Teil der zahlreichen Versuche, zum Erfolg führt. Niemand weiß, welcher. Die Wahrscheinlichkeit für ein Tor in einer gegebenen Situation ist sogar unter Übungsbedingungen eher gering.
Ist ein Tor Zufall?
Ja, und nein.
Ja, weil dieser Vorgang des Toreschießens in unvorhersagbarer Weise zum Erfolg führt.
Nein (oder nicht nur), weil man bei diesen Versuchen auf Grund der messbaren Torquote sehr wohl zwischen Laie, Anfänger oder Profi unterscheiden kann. Aber der Umstand der Unwägbarkeit gilt für den Profi genau so wie für den Anfänger, weil er sich immer mit Teams derselben Leistungsstufe misst. Zahlreiche Hoppalas mit den Bestern der Guten zeigen das eindrucksvoll. Und niemand würde auf die Idee kommen, einem
Ronaldo oder
Messi Unfähigkeit vorzuwerfen, bei Rapid aber schon.
Tore passieren zufällig
Egal, ob Hobbymannschaft oder Profimannschaft; Tore kann man weder planen noch erzwingen, sonst wäre es ein Leichtes, eine einmal gelungen Aktion zu wiederholen. Aber genau das funktioniert nicht, weil alle folgenden Situationen anders sind und wieder dieser Faktor Zufall jeder Planung und Wiederholung einen Riegel vorschiebt.
Es ist unbestritten, dass manche Spieler deutlich mehr Tore schießen als andere aber dem Umstand der Zufälligkeit des Geschehens entkommen auch sie nicht, denn dazu ist der Ball „zu rund“.
Auch unser Sportdirektor dürfte Nachholbedarf im Fußball-1mal1 haben, denn er sagte im
Interview vom 12.4. „So etwas wie in Wolfsberg darf nie wieder passieren.“
Man ist im Fußball immer wieder überrascht und das hat mit den Unwägbarkeiten zu tun. Und daher kann man wenig voraussagen. Und ein
„nie wieder“ ist vielleicht plakativ für die Kamera aber bereits morgen kann es eine Neuaflage dieses
„nie wieder“ geben, denn es ist ein Fußballspiel und keine ausrechenbare Sache. Und das hat nichts mit der Leistung zu tun, die durchaus ansehnlich sein kann, so wie im Lavanttal und auch an der Anfield Road.
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2 Antworten zu “An die Unzufriedenen”
von Christoph per Mail
In dieser Nachricht hast Du Einiges von denjenigen Überlegungen niedergeschrieben, welche Du mir bereits vorwöchig antwortend übermittelt hattest. Sosehr ich Deine analytische Ableitung teile, weise ich doch darauf hin, daß man Tore schon auch durch unbändigen Willen/viel Übung “erzwingen” kann…
Lieber Christoph!
Ich weiß nicht, ob Du Schwammerlsucher bist.
Man kann diese Schwammerln auch bei größter Anstrengung nicht „erzwingen“.
Und dabei meine ich nicht nur das ungeeignete Wetter.
Du bringst eine Leistung und gehst durch den Wald.
Aber ob Du den Pilz siehst, das ist eine Frage des geschulten Auges, ja.
Es ist aber auch irgendwie ein Glück.
Manchmal absolviert man dieselbe Runde am nächsten Tag und dann findet man ihn (obwohl er auch schon gestern da war).
Fußball ist wie Schwammerlsuchen.
Bringst Du mehr Leistung (zum Beispiel ein größeres Suchgebiet) steigerst Du den Erfolg.
Aber fix ist nix. Wenn Du ihn nicht siehst, dann siehst Du ihn nicht, auch wenn er da ist und auch wenn Du die Leistung voll erbringst.
Man kann durch Kondition, Druck, Tempo usw. nur die Wahrscheinlichkeit für ein Tor erhöhen aber nie Sicherheit erreichen, denn jedes Spiel ist trotz allem Druck ein Zufallsprozess (sonst würde es nicht „Spiel“ heißen können).
Wenn es nicht sein soll, dann ist es nicht.
Wie soll man im RB-Spiel den Schuss von Steffen an die linke Torstange deuten, von der der Ball dann auf die rechte geht, danach aber nicht ins Tor sondern zurück ins Feld? Besser konnte er den Ball ja kaum treffen.
Man hat nicht so viele Chancen in einem Spiel gegen einen gleichwertigen Gegner.
Viel mehr „zwingen“ kann man nicht.
Auch eine Meisterschaft ist ein Zufallsprozess und es kann durchaus einmal der Außenseiter gewinnen. Heuer ist es leider nicht für uns gelaufen.
Auch Barcelona hat nur eine gewisse (sicher sehr hohe) Wahrscheinlichkeit zu siegen. Aber diese Wahrscheinlichkeit ist nicht 1. Auch diese Truppe kann verlieren – wie man sieht. (In einer Zusammenfassung habe ich kurz gesehen, was für einen enorm unberechenbaren Gegentreffer Barca hinnehmen musste. Niemand könnte dieser Schuss und die Abwehr des Tormanns wieder holen. Auch nach 100 Versuchen nicht.)
Ein paar verlorene Spiele deuten nicht unbedingt auf das Versagen von irgendwem hin. Nur werden wir Zuschauer dabei leicht nervös, weil es ja um viel geht. So ein Meistertitel hat das Potenzial für viele Millionen Euro an Einnahmen. Ebenso nervös wird die Vereinsführung. Also meinen wir, man könne den Zufall zwingen, zu den eigenen Gunsten zu verlaufen.
Aber statistisch gesehen ist auch bei verschieden starken Gegnern eine Niederlage des Stärkeren gar nichts Ungewöhnliches. Und das liegt an der beim Fußball geringen Anzahl von Toren. Natürlich muss man dabei akzeptieren, dass Tore ein Zufallsprodukt sind.
Warum sind sie ein Zufallsprodukt? Weil man über den Zeitpunkt eines Tores rein gar nichts sagen kann. Man kann nur nach einer langen Beobachtungszeit sagen, wie die durchschnittliche Torquote eines Teams ist. So gesehen ist es wahrscheinlicher, dass im nächsten Spiel Rapid gegen Sturm mehr Tore schießt, weil Rapid in der laufenden Saison um 15 Tore mehr geschossen hat als Sturm. Was uns aber im konkreten Spiel überhaupt nicht weiterhilft, denn es kann durchaus genau umgekehrt ausgehen (also entgegen der statistischen Voraussage) und trotzdem schießt Rapid im Mittel mehr Tore als Sturm.
Man ist bei der Beurteilung der Spieler oder des Trainers viel zu rasch mit Beschuldigungen zur Stelle obwohl die Spieler immer dieselben sind.
Es ist ärgerlich aber statistisch durchaus OK. Nur, wenn der öffentliche Druck groß wird und zum Beispiel der Abstieg droht, handelt die Vereinsführung. Beispiel WAC. Aber niemand weiß, ob es mit Kühbauer überhaupt ein Problem zwischen Mannschaft und Trainer gab (also einen Grund für die schlechten Ergebnisse) und ob ein Nicht-Trainerwechsel nicht ebenso wieder irgendwann positive Ergebnisse gebracht hätte. Wegen der Abstiegsgefahr konnte sich der WAC dieses Experiment aber nicht erlauben. Anderswo (zum Beispiel bei Manchester) vertraute man einem Trainer jahrzehntelang (Ferguson) und hat sicher auch viele Tiefen mit ihm durchlebt.
Hannes, unser Sitznachbar ist ein entschiedener Gegner von Novota, Sonnleitner und Petsos. Hätten sie gestern gespielt, kann ich die Kommentare von Hannes geradezu im Voraus erahnen. Alle diese drei Spieler haben am Sonntag nicht gespielt. Daher mussten andere Spieler als Schuldige für das scheinbare Versagen herhalten. Als zum Beispiel Steffen in der 1 HZ seinen Schuss über das Tor setzte. Das hat überhaupt nichts mit mangelndem Können zu tun oder mit Unkonzentriertheit, denn es ist das Wesen dieses Sports, dass man mit dem Fuß einen sich bewegenden Ball nicht präzise genug treffen kann. (Dazu gibt es endlos viele Beispiele von viel, viel besseren Fußballspielern. Ich sage aber in diesem Fall lieber „teureren“ Fußballspielern.)
Ich beschäftige mich das ganze Berufsleben (zufälligerweise) mit Zufällen. Es begann mit der Diplomarbeit „Digitale Mittelwertbildung“ und führte mich in die Modembewertung in das Reich der Bit- und Blockfehlerraten. Dass ich jetzt beim Fußball alles das wieder erlebe, ist ziemlich „zufällig“, weil es sich um eine ganz andere Disziplin handelt, um angewandten Zufall.
Der Unterschied zwischen dem echten Zufall und dem Zufall im Fußball ist, dass man beim echten, natürlichen Zufall keinerlei Ursachen für ein Ereignis nennen kann (Beispiel: Welches Elektron entscheidet sich bei einer Leuchtdiode Licht abzustrahlen oder radioaktiver Zerfall uva.).
Beim Fußballspiel dagegen weiß man alles, was zu einem Tor führt. Man weiß, wer den letzten Pass gegeben hat, warum der Tormann auf dem falschen Fuß gestanden ist, warum im Mittelfeld ein Abspielfehler dieses Situation überhaupt erst ermöglicht hat usw. Und weil man alle diese Details kennt, meint man, dass es sich hier um einen planbaren Vorgang handelt, der nicht zufällig ist.
Wenn das so wäre, dann ist eines sicher: niemand würde sich solche „Planungen“ anschauen. Nur durch die Unsicherheit des Ergebnisses (auch bei sehr verschieden starken Gegnern, siehe Cup) sind Fußballspiele interessant.
Durch die sicherere Ballführung beim Handball bedeutet dort Ballbesitz in den meisten Fällen auch ein Tor. Es gibt viele Tore. Man könnte meinen, dass Handball deshalb populärer sein müsste. Der Grund, warum das nicht der Fall ist, ist, dass im Handball eine überlegene Mannschaft praktisch immer gewinnt. Die Handball-Tabelle zeigt auch meist eine deutliche Trennung zwischen den starken und schwachen Mannschaften. Weil also der Stärkere ziemlich sicher gewinnt, ist Handball viel weniger interessant.
Wenn man nun aber das Verhalten des natürlichen Zufalls mit jenem der Tore im Fußballspiel vergleicht, dann stellt man fest, dass beide derselben Gesetzmäßigkeit folgen (es ist eine Poisson-Verteilung) und keinerlei Regelmäßigkeit aufweisen.
Was auch immer man anstellt, um den eigenen Torerfolg zu erhöhen (die Mannschaft macht ja die ganze Woche nichts anderes), man erreicht nur eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Erzielen von Toren aber keine Sicherheit.
Servus, Franz