Kommerz und Kapital: Kapituliert der Fußball?
ballesterer, Club 2×11, Hauptbibliothek, Fairplay und tipp3 luden zur Podiumsdiskussion in der Hauptbibliothek am Urban Loritz Platz.
Mona Müller (w24) moderierte die Runde:
vlnr:
Hans Peter Trost, ORF-Sportchef;
Michael Wulzinger, Journalist (Der Spiegel) und Autor (Football Leaks);
Mona Müller (w24);
Markus Kraetschmer, Vorstand FK Austria Wien, Bundesliga-Vizepräsident;
Oliver Prudlo, Vereinigung der Fußballer & Ex-Bundesligaprofi
Die Beteiligten gaben Einblicke in die Problematik der Finanzierung von Fußball in einer Zeit, in der sich die „wirklich Reichen“ dieses (für sie) Wirtschaftszweiges annehmen, teils aus
Profitabsicht, teils zur Befriedigung persönlicher
Eitelkeiten „von Scheich bis Oligarch“. Die Preisspirale dreht sich scheinbar unaufhaltsam nach oben und erfordert immer weitere Interessenten, die das System mit Geld speisen.
Die Rolle der Spielevermittler wurde an extremen Beispielen dargestellt. Da es nur relativ wenige dieser Vermittler gäbe, die dann bei der Preisbildung allergrößtes Interesse an steigenden Preisen haben und bei einem Transfer ihre Provisionen sowohl vom Käufer, Verkäufer als auch vom Spieler selbst kassieren und das in einer ziemlich unanständigen Höhe.
Aber nicht nur die Spielervermittler, auch die Spieler selbst drehen an der Spirale nach oben, weil sie sehr oft nicht dem sportlichen Erfolg folgen sondern dem Geld – wie man dem Beispiel von
Anthony Modeste sehen kann, der bei seinem neuen Arbeitgeber in China ein Vielfaches von dem bekommt, das er bei Köln verdient hat.
Ebenso ist bei allen Diskussionsbeiträgen die Rolle der „Schurkenstaaten“ angeklungen, die es ermöglichen, dass Gewinne an den nationalen Steuerbehörden vorbeigeschummelt werden.
Das Geschäft besteht aus dem Einkauf billiger aber talentierter Spieler, ihrer Ausbildung und Verkauf. Beispiel
Sadio Mané. RB verfünffacht seinen Preis, Southhampton verdoppelte ihn und Liverpool verdreifacht ihn gerade. Aber um in dieser Spirale mitbieten zu können, muss man auch den einen oder anderen Flop miteinkalkulieren, etwas, was bei RB kein Problem ist, bei den sonstigen „Groß“-klubs in Österreich aber ruinös sein kann.
Diese extreme Preisspirale kommt daher, dass Geld in einem fast beliebigen Ausmaß zur Verfügung steht; einerseits durch das ungebrochene Interesse der Anhängerschaft anderseits durch die angelockten Geldgeber des Großkapitals.
Es sind die enormen Preissteigerungen von Spielern, die es zu einem Top-Verein schaffen. Was es allein bringt, von Österreich in eine andere Liga zu gehen, zeigen die Wertsteigerungen bei Transfers ins Ausland. Ein Spieler kann sich natürlich nicht von einem Tag auf den anderen in seiner Art Fußball zu spielen so dramatisch verändern als es die Marktwerte umschreiben. Als Beispiel hier der Marktwertverlauf zweier Abgänge der letzten Saison:
Beide hatten 2017 nicht einen Leistungssprung sondern haben nur ihren Arbeitgeber gewechselt.
Und in diesem Wettbewerb, wer denn der Reichste von allen sei, steigen die Preise in astronomische Höhen. Dass die Preise für begehrte Spieler jenseits der Hundert-Millionen-Grenze liegen müssen, liegt allein schon daran, dass ein durchschnittlicher Premier-League-Club allein aus den Fernseheinnahmen mit etwa 140 Millionen Euro rechnen kann, mehr als alle österreichischen Bundesliga-Vereine im gesamten Vertragszeitraum von vier Jahren erlösen. Einen Spieler um 100 Millionen könnte ein solcher Verein fast selbst „stemmen“. Und wer sich nun einen Barcelona-Kicker einbildet muss, deutlich über diese Grenze hinausgehen.
Wir haben gehört, dass in den Spielerverträgen der spanischen Fußballer astronomische Ablösesummen festgeschrieben sind und diese im Falle von
Neymar auch tatsächlich bezahlt wurden.
Als Beobachter aller dieser „Blasen“ wundere ich mich, dass man sich über diese Preisanstiege und Gewinne wundert. Fußball ist ein Geschäft, das die Massen begeistert, ähnlich wie es Bühnenstars können, die ebenso ein Millionenpublikum anziehen. Das System lebt von ständigen Wertsteigerungen, die ein ständig wachsendes Interesse erfordern. Das Interesse wird von allen Beteiligten hoch gehalten, vor allem auch durch die Medien, und man lässt nichts unversucht, „die Wüste zu begrünen“, d.h. die Frohbotschaft des Sports in Gegenden zu tragen, die dafür praktisch nicht geeignet sind und nur die Eitelkeit der Geldgeber befriedigt, in diesem Spiel an vorderster Front dabei sein zu dürfen.
Der klassische, europäische Weg wäre, in den interessierten Ländern eine Fußballinfrastruktur auf breiter Basis einzurichten (Ligensystem, Breitensport usw.) und dann versuchen aus eigener Kraft im Zirkus der Großen mitzumischen. Aber dieser Weg ist nicht etwas, was den Scheichs in Katar und den anderen Superreichen vorschwebt, denn das sind Prozesse, die man als Einzelner unter Umständen gar nicht erlebt.
Es waren sicher mehrere in der Zuhörerschaft, die diesen Entwicklungen eine klare Absage erteilen und den Fernseher bei Übertragungen internationaler Spiele einfach abdrehen und keinen Vertrag nur wegen der Übertragung der Bundesliga abschließen. Leider sind aber diese Einzelnen noch die Ausnahme und die Gewinnspirale kann sich munter nach oben drehen.
Alles, was man bei Fußball erlebt, ist eigentlich nur ein Abbild der Vorgänge in allen Wirtschaftszweigen und der Gesellschaft. Das öffentliche Interesse am Fußball macht die Vorgänger transparenter, aber alles das kommt auch in anderen Wirtschaftszweigen eben so vor, nur ist es eben nicht so offen gelegt.
Bis jemand kommt und sagt:
„das sind ja nur Fußballspiele“ und sich die Blase beginnt zu verkleinern, wenn sie nicht ohnehin zerplatzt. Das könnte zum Beispiel passierten, wenn das Füllhorn des Erdölreichtums zu versiegen beginnt oder ein anderen Massenphänomen die derzeitigen Bedürfnisse der Anhänger auf bessere Art befriedigt.
Mein Tipp ist, dass es eines gesellschaftlichen Umbruchs bedarf, der das Recht auf schrankenlosen Besitz ohne jegliche gesellschaftliche Mitverantwortung einschränkt.
Der Auslöser für diese Diskussion war aber das neu erschienene Buch von
Rafael Buschmann und
Michael Wulzinger, die eine riesige Datenmenge betreffend Geschehnisse rund um Fußballerverträge und deren Hintergründe aufgearbeitet haben. Beachtet bitte auch die Webseiten, die über diese „Fußball Leaks“ berichten.
Die Veranstaltung war sehr gut besucht, jeder Teilnehmer bekam einen Getränkegutschein, eine lokale Bücherei bot Bücher zum Verkauf an, Ausgaben des ballesterer konnte man kostenlos mitnehmen.
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