Austria-Rapid
0:4 (0:2)
Ein letzter Blick ins Happel-Oval bei einem Derby:
Dass das Spiel im Happel-Stadion stattfand, war kein schlechtes Omen, hat man doch dort die zwei letzten Derbys gewonnen. So lange man in Hütteldorf noch nicht so wirklich angewachsen ist, muss man wenigstens auswärts punkten. Und so war es auch.
Violett war unter stärkerem Zugzwang als Rapid. Es gilt für die Veilchen, den Fünften, die Admira, zu überholen. Dazu fehlten vor dem Derby 7 Punkte und nach dem Derby ebenso, weil auch die Admira verloren hat.
Unter diesem Zugzwang baute man auch Druck auf, der aber nicht von Erfolg begleitet war, vielmehr kassierte man im Gegenzug ein Tor durch
Stefan Schwab. Aber dieses erste Tor war noch nicht typisch für die Konterstrategie, die
Goran der Mannschaft mitgegeben hat. Die Sturmspitze
Philipp Schobesberger sollte mit langen Bällen versorgt werden und seine Schnelligkeit ausnutzen. Das hat auch einige Male sehr gut funktioniert. Und wenn es auch nur ein solches Tor gab, bot doch das Spiel weitere gleichartige für die Zukunft vielversprechende Übungsszenarien. Die weiteren Tore durch
Murg, durch
Schobesberger und schließlich durch
Kvilitaia. markierten den höchsten Sieg in einem Derby seit 1981 und – beschränkt man sich auf Auswärtssiege seit 1946.
Was mich aber sehr beeindruckt hat, war dieses Pressing auf allen Positionen, kombiniert mit einem starken Kollektiv. Drei gelbe Karten für Rapid und keine für die Austria zeigen das recht deutlich.
Wir können gespannt sein, wie das Trainerteam an die schwierigere Aufgabe in Graz herangehen wird.
Ambiente
Als der neue Stadionsprecher der Austria
Wolfgang Slavik die Legende
Thomas Parits zum Mikrofon bat und das Publikum zu einen Begrüßungsapplaus aufforderte, was es still im Stadion, ganz still. Viel Arbeit wartet auf
Wolfgang, je nachdem, wie er oder sein neuer Arbeitgeber seine Rolle definiert. (
Stadion-Moderation)
Die Transparente und Spruchbänder im ersten Rang CD waren fast zu groß für das vergleichsweise klein Häuflein jener, die es hochhalten sollten. Der Text war an Peinlichkeit kaum zu überbieten, denn wer von uns weiß schon, wie so ein Spiel ausgeht. Hoffen tun wir alle, wissen tun wir nichts. Wir haben schon zu oft verlieren gelernt, als dass wir einen Start-Ziel-Sieg prognostizieren würden. Der gegnerische Anhang ist noch nicht so weit in der Einsicht, dass man ja auch verlieren kann. Und daher titelte man naiverweise:
„Hütteldorf zerstören“ und
„Unsere Nachricht gibt Euch zu verstehen, der Feind muss heute kläglich untergehen.“
Was dieses Wien alles aushalten muss:
„Wien sind wir“, meinte die gegnerische Fantribüne:
Aber nur die VIP-Tribüne war gut gefüllt. Und das zeigt, wie man Fußball beim Stadtrivalen sieht: es genügt, die betuchten Fußballbegeisterten zu betreuen, die sonstigen Anhänger speist man mit einer außerordentlichen Mitgliedschaft ab.
Auch der Umstand, dass man bei diesem Spiel an Besucher von der Straße keine Karte verkauft, sondern nur an eigene Mitglieder und Abonnenten, unterstreicht die Tendenz zu einem Fußballspiel mit angepassten Zuschauern und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Fan als unerwünschter Störfaktor.
Dass aber viele Fans Grund zur Freude sein können. das weiß man bei den großen Klubs in der ganzen Welt; dass diese Fans auch Probleme machen können, auch. Und das ist auch bei Rapid bekannt auch der Grund, warum der Rapid-Fanblock immer sehr gut betreut wird. Nicht nur von den Profis der Securitas in gelb sondern von fast noch mehr grünen Mitarbeitern des Rapid-Klubservice unter der Leitung von
Andy, Robert und
Gernot.
Genau die Konflikte mit den Fans sind es, die Fußballvereine zu lösen haben, daran müssen sie arbeiten. Und das geschieht nicht durch Aussperren sondern durch Aufsperren und durch Einladen aller, die zu dem Geschehen beitragen wollen. Genau das macht Rapid und genau das versteht man anderswo anders.
Steffens letztes Derby
Die Einwechslung von
Steffen Hofmann wurde heftig eingefordert und durch den Spielstand begünstigt. Nach dem Spiel wurden die Mannschaft mit „Wir wollen Rapid sehen“ noch auf das Spielfeld gerufen und
Steffen wurde von seinen Kollegen auf den Schultern getragen. Ein starker Abgang!
Nachdenklicher Feldherr
Der Normalfall wird sein, dass der Geschäftsführer sich im Bereich des VIP mit den Kollegen des jeweiligen Gegners austauscht. Bei diesem Spiel war er aber im Kreise der Fans auf F2.
Christophs Anwesenheit ist ziemlich bemerkenswert, könnte aber auch aufgrund der doch recht eigenartigen Reaktionen des Gastgebers erfolgt sein. Die geplante gemeinsame Pressekonferenz der beiden Trainer vor dem Spiel wurde seitens der Austria abgesagt. Auch eine Art Sippenhaftung.
„Mit einem Verein, der solche (tollen) Fans hat, setzen wir uns nicht an einen Tisch.“ könnte es geheißen haben. Wir haben uns jedenfalls sehr über diese Wertschätzung der Fans gefreut.
Und die Stimmung, die von F3 auf F3 überschwappte, war wirklich bemerkenswert. Anfangs hat mich der Geräuschpegel noch irritiert, weil man vom Spielgeschehen ziemlich abgelenkt wird. Aber es gibt ein gutes Mittel dagegen: mitklatschen und – sofern man textkundig ist – mitsingen.
Die Haltung von Verein, Liga und Polizei zur pyrotechnischen Folklore im Fanblock ist noch völlig unklar. Derzeit herrscht eine Art „Beibehaltung des Status Quo“.
Historisch
Wir haben tatsächlich einen historisches Sieg erlebt, denn man muss ganz schön alt werden, um zwei solcher Sensationen mitzuerleben. Einen Auswärtssieg in dieser Höhe (Tordifferenz 4) gegen die Austria gab es nur am 25.5.1946 (5:1) und am 5.12.1915 (4:0). Ein 10:1 im Kriegsjahr 1941 blenden wir hier aus. Bei Heimspielen schaut es etwas besser aus, da war es 1981 (5:1), 1974 (4:0), 1966 (4:0), 1957 (4:0), 1947 (7:2), 1938 (5:1), 1917 (6:1), 1915 (9:0), 1913 (4:0). Also tatsächlich eine fußballerische Rarität.
Für die Fans spielen
Die Worte der Spieler nach dem Spiel zeigten, wie wichtig es ihnen ist, dass die sich freuen, den Fans etwas zurück zu geben. Dass man für jemanden gewinnen will, scheint mir ein wichtigeres Motiv zu sein als der eigene Kontostand. Und umso mehr hat man den Eindruck, dass die Arbeit des Trainerteams eine sehr nachhaltige ist und man beginnt, die Ernte der mühsamen Trainings einzufahren.
Anfahrt
Eigentlich haben wir dem Besuch von Austria-Heimspielen schon eine Absage erteilt, allerdings aus genau den umgekehrten Gründen, die
Markus Kretschmer anführt, wenn er sagt, er müsse seine Schäfchen vor den Übergriffen der Grün-Weißen schützen. Schon seit dem Spiel am 7. August 2016 (4:1 für Rapid) haben wir kein einziges dieser Auswärts-Spiele besucht, weil wir uns im Sektor E des Happel-Stadions von violetten Fans angegriffen gefühlt haben, die vom Sektor C über die Zäune geklettert sind und völlig unbeteiligte Besucher attackiert haben. Aber da es nunmehr das letzte Derby im Happel-Stadion sein wird, und
Andy Marek für die Längsseitensitzer einen zusätzlichen Sektor ausverhandelt hat, sind wir doch im Sektor F2 dabei. (Danke
Andy Marek!)
Die Anfahrt erfolgt wetterbegünstigt mit dem Rad. Ausklang im Gasthof „Zur goldenene Möwe“ in der Favoritenstraße und einem Eis beim Gavaz. Favoritner Highlights eben.
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