Eine bunt zusammengewürfelte Truppe von 10 Rapidlern war Teil des Theaterstücks „Stadium“ von Mohamed El Khatib. Begonnen hat alles schon Anfang April, bei Interviews im Allianz Stadion.
Ein Einführung in das Geschehen gibt der Autor im folgenden Video:
2018-05-28 Generalprobe
Zehn Rapidler treten in jenem Theater an der Wien auf, das von Emanuel Schikaneder aus den Einnahmen aus der Zauberflöte erbaut wurde und in dem auch Beethovens Fidelio uraufgeführt wurde.
„Stadium“ ist der Name eines Theaterstück über Fußballkultur von Mohamed El Khatib. 53 Fans des nordfranzösischen Zweitligisten RC Lens (Lens ist eine norfranzösische Stadt mit ca. 30.000 Einwohnern) zeigen das Stück im Rahmen der Wiener Festwochen am 29. und 30.5. im Theater an der Wien. Sie haben es schon 30 Mal aufgeführt, Wien ist die erste Auslandsstation, danach geht es nach Hamburg. Und so wird das Stück in einem Plakat angekündigt:
Damit es einen Bezug zu Wien gibt, suchte man einen Wiener Fußballklub mit Wurzeln im Arbeitermilieu und fand den SK Rapid. Laurin Rosenberg suchte und fand 10 zur Mitarbeit bereite Rapid-Fans. Ich staunte nicht schlecht, als ich in der Besetzungsliste (unter dem Bild) meinen Namen und den eines Rapid-Mitkämpfers gefunden habe:
Interviews
Zwei Ergänzungen sind es, die dem Stück einen Wienerischen Anstrich geben. Bereits im April wurden vom Autor gemeinsam mit Iris von den Wiener Festwochen Interviews mit den Rapidlern gedreht. Im Artikel „Vorbereitungen“ wurde darüber berichtet.
Ein solches Interview im April hat ca. 20 Minuten gedauert, das sind insgesamt 200 Minuten für die 10 Akteure. Aus diesen 200 Minuten wurden etwa 5 Minuten ausgewählt, aufgeteilt auf zwei Kurzvideos. Ich kam in beiden vor, und ich sage Euch, die haben auf ein Hoppala gewartet und ich habe ihnen das geliefert. Nach dem Interview sagte ich, man könne das ja herausschneiden. „Ja, ja“, haben sie freundlich genickt – und genau diese Stellen haben sie dann ausgewählt. Ich kenne ja den Text der alten Hymne, habe aber in der ersten Strophe den Text der ersten mit dem Text der zweiten vertauscht und wusste prompt nicht weiter, weil die Melodie zu dem Textgemisch nicht gepasst hat – und genau das wurde ausgewählt.
Cool war das Interview eines zweiten Franz, der erzählt hat, wie er als Kind im Garten Rapid gegen die Austria gespielt hat und die Austria bei diesem Spiel nur dann die Chance auf ein Unentschieden hatte, wenn ihn seine Mutter während des Spiels zum Essen gerufen hat.
Ebenso originell war das Interview einen FanIn, die sich zuerst in einen Rapid-Fan verliebt hat und als diese Beziehung nach einem Jahr zu Ende ging, blieb die Liebe zu Rapid bestehen.
Der zweite Ausschnitt betraf die Frage nach dem Unterschied zwischen Theater und Fußball. Einer der Interviewten hat das auf den Punkt gebracht: beim Theater ist man passiver Konsument, beim Fußball ist man Akteur, der durch seinen oft beachtlichen Aufwand einen Teil zum Gesamtergebnis beiträgt. Meine Passage diente als Überleitung zum Interview mit dem Rapid-Pfarrer, weil ich den Unterschied daran festgemacht habe, dass bei einer Theateraufführung oder auch bei einer Messe der Ausgang eines Stücks feststeht und die Handlung vorgezeichnet ist, während beim Fußball das Ergebnis eines Spiels den Weg für den weiteren Weg einer Mannschaft zeichnet und niemand vor dem Spiel weiß, wohin dieser Weg führt.
Unser Herr Pfarrer ist in dem Dilemma, dass er uns sein Produkt „Gott“ verkaufen will und er einerseits meint, alles komme von Gott und anderseits dann Gott doch nicht den Fuß des Fußballspielers lenkt. Oder doch lenkt? Er positioniert sich in dieser Frage nicht ganz klar. Das ist aber auch egal, Hauptsache wir (Rapid) haben die erste Statue von Aloisius Scrosoppi, den Fußballheiligen, bei uns im Stadion.
Generalprobe
Am 28.5. wurde es ernst und die zehn Rapidler hatten ihre erste Probe in den Räumen des Theater an der Wien. (Am 29.5. folgt noch eine allerletzte Probe vor der Premiere.) Blick auf die Probenräume.
Wir bekommen jeder 200,- Euro und füllen dafür einen Dienstzettel für eine geringfügige Anstellung aus. Dann wird noch eine Einverständniserklärung für die Vermarktung der Bilder abgegeben.
Mohamed, der Autor (rechts) und der Übersetzer erklären uns das Stück.
Hier ein Blick auf die Bühne. Man sieht eine Video-Projektion, einen Würstelstand und eine Tribüne. In den Zuschauerreihen sieht man den Autor, der die Probe beobachtet.
Ganz egal, ob Startenor oder Statist, alle bereiten sich auf ihren Auftritt hinter der Bühne vor. Man beobachtet in einem Monitor den Ablauf auf der Bühne. Eine Inspizientin weist die Akteure an, sich auf den Auftritt vorzubereiten.
Unser Auftritt beginnt in der Mitte der „ersten Halbzeit“.
Wir kommen langsam auf die Bühne und skandieren dabei „Hurra, hurra, die Wiener, die sind da!“. Wie sich das im Ernstfall anhört, kann man von einer Aufnahme aus der Linzer Gugl vom 14.8.2007 hier nachhören. Es folgt ein Interview des Autors mit den Rapidlern, die dann die alte Rapid-Hymne singen.
Jetzt kommen die französischen Fans und es erfolgt eine Art Verbrüderung mit Bussi-Bussi und Bier, Ottakringer, versteht sich. Bierkonsum wird als wichtiges gemeinsames Merkmal von Fußballfans angesehen, wie man an den eingeblendeten Kiosk-Preisen sieht, wo Wasser eine Vielfaches von Bier kostet.
Danach malen wir hinter der Tribüne ein Transparent, das nach einer Soloeinlage einer Französin auf der Tribüne angebracht wird.
Mit einem gemeinsamen Schlusslied verlassen wir die Bühne.
In der Pause sind wir das, war wir sind, Fans, und mischen uns unters Publikum.
In der zweiten Hälfte beobachten wir die Aufführung von der Tribüne. Hier einige Eindrücke davon:
Cheer Leader
Fahnenschwinger George
Pfarrer
Trommler
2015-05-29 Premiere
Wir sollten noch an einer anderen Stelle des Stücks dabei sein und dazu mussten wir die Text zweier Lieder lernen. Wir haben uns bemüht, aber ein „la-la-la“ ist in solchen Fällen der immer angebrachte Text.
Dans le malheur ou la gloire nus on est la
deutsch
Wir sind da, wir sind da,
wie im Pech und auch im Glück ja sind wir da.
Für die Liebe zum Trikot, das ihr auf dem Körper trägt,
wie im Pech und auch im Glück sind wir da.
französisch
Nous on est là, nous on est là,
même si vous ne le méritez pas nous on est là!
Pour l’amour du maillot,
que vous portez sur le dos,
même si vous ne le méritez pas nous on est là!
Was uns aber abgeht, ist ein Lied, das die Gegend beschreibt, von der wir kommen und das hat der RC Lens über seine Vergangenheit als Bergbaustadt. Das „Wir sind Wiener, asoziale Wiener…“ ist zwar selbstironisch aber etwas zu derb und viel zu weit in deutschen Stadien bekannt.
Le Corons (Pierre Bachelet)
deutsch
Im Norden war die Bergarbeitersiedlung
Die Erde war Kohle
Der Himmel war der Horizont
Die Männer Minenarbeiter
...
französisch
Au nord, c'étaient les corons
La terre c'était le charbon
Le ciel c'était l'horizon
Les hommes des mineurs de fond
Nos fenêtres donnaient sur des fenêtres semblables
Et la pluie mouillait mon cartable
Et mon père en rentrant avait les yeux si bleus
Que je croyais voir le ciel bleu
J'apprenais mes leçons, la joue contre son bras
Je crois qu'il était fier de moi
Il était généreux comme ceux du pays
Et je lui dois ce que je suis
Au nord, c'étaient les corons
La terre c'était le charbon
Le ciel c'était l'horizon
Les hommes des mineurs de fond
Et c'était mon enfance, et elle était heureuse
Dans la buée des lessiveuses
Et j'avais des terrils à défaut de montagnes
D'en haut je voyais la campagne
Mon père était "gueule noire" comme l'étaient ses parents
Ma mère avait les cheveux blancs
Ils étaient de la fosse, comme on est d'un pays
Grâce à eux je sais qui je suis
Au nord, c'étaient les corons
La terre c'était le charbon
Le ciel c'était l'horizon
Les hommes des mineurs de fond
Y avait à la mairie le jour de la kermesse
Une photo de Jean Jaurès
Et chaque verre de vin était un diamant rose
Posé sur fond de silicose
Ils parlaient de 36 et des coups de grisou
Des accidents du fond du trou
Ils aimaient leur métier comme on aime un pays
C'est avec eux que j'ai compris
Au nord, c'étaient les corons
La terre c'était le charbon
Le ciel c'était l'horizon
Les hommes des mineurs de fond
Le ciel c'était l'horizon
Les hommes des mineurs de fond
Wir, hinter der Bühne bekommen den eigentlichen Inhalt trotz der Übertragung über einen Monitor nicht mit. Welchen Eindruck die kaleidoskopartig aneinander gereihten Sequenzen auf das Publikum haben, sieht man nicht. Was mich daher am meisten beeindruckt hat, war die positive Aufnahme durch das Publikum. Siehe ORF-Bericht bei den Links.
Das einladenden Transparent der ersten Hälfte des Stücks sagt „Fans dringend gesucht“ und in der Pause ist das Publikum eingeladen, sich mit Getränken und Pommes von der Frittenbude auf der Bühne zu versorgen. Und das gelingt auch gut, die Zuschauer strömen auf die Bühne und mischen sich unter die Fußballfans.
10 Rapidler singen die alte Rapid-Hymne
vlnr: Kurosch, Lukas, Lilo, Franz I, Jürgen, Clara, Thomas, Franz
Stadion-Stimmung in der Pause auf der Bühne
vlnr: Ursula, Jürgen, Clara, Franz I, Franz II, Thomas, Gert, Lilo
Das Stück endet damit, dass alle Darsteller, den Trommlern und dem Trompeter folgen und sich vor dem Theater versammeln und dort populäre Fußballlieder singen und dazu tanzen; auch die Marseillaise.
Eine Antwort zu “Stadium”
[…] Stadium, ein Theaterstück von Mohamed El Khatib (Theater an der Wien, 28.-30.5.2018 im Rahmen der Wiener Festwochen) […]