Legendenabend
Mit großer Freude über diesen sensationellen Abend darf ich Euch hier einige Eindrücke zusammenfassen. Wer keine Gelegenheit hatte, diesen Abend mitzuerleben, kann einen fast kompletten Audio-Mitschnitt nachhören (siehe Links).(Die ersten Sätze von Hans Krankl habe ich verschlafen.)
[In diesen Beitrag wurden auch viele Korrekturen eingearbeitet, für die ich mich bei Gerald Pichler (Rapidarchiv) bedanke. Solltest Du Fehler im Tagebuch finden, bitte schreibe mir, Du kannst dazu beitragen, die Qualität zu verbessern.]
Ehrengast, und in den Interviews oft genannt, war der 93jährige Alfred Körner. Was werden wir wohl mit 93 machen? Ob wir uns einen so langen Abend werden konzentrieren können?
Die Gäste waren (in dieser Reihenfolge) Christoph Peschek, Hans Krankl, Michael Konsel, Michael und Hardy Hanappi (Söhne von Gerhard Hanappi), Christian Stumpf, Carsten Jancker, Thomas Lanz, Helge Payer und Steffen Hofmann.
Der Abend startete – nach einem Gespräch mit Christoph Peschek – mit einer Sensation, denn es hat genau 10 Jahre gedauert, bis Hans Krankl wieder bei einem Gespräch bei Rapid anwesend war. Sein letzter Auftritt war im Parkhotel Schönbrunn am 23.4.2009 anlässlich des 110-Jahr-Jubiläums. 2008 ist Rapid blamabel gegen Famagusta ausgeschieden und die ganze Saison war geprägt von einer Serie von Stammtischen im Stags Head, die über die fehlenden internationalen Spiele hinwegtrösten sollten. Es war damals der erste von zwei geplanten Legendenabenden, doch zum zweiten im Herbst ist es nicht gekommen, weil Rapid im Sommer sensationell gegen Aston Villa aufgestiegen war und der zweite Legendenabend nicht mehr zustande kam. Und heute war es wieder soweit, dass sich die Spielerlegende Krankl zu seinen Fans begab.
Die 1970er- und 1980er-Jahre
Hans Krankl
Wer Krankl nur von seiner Kolumne in der Zeitschrift Österreich kennt und ihm wegen seiner kritische gegenübersteht, der hat an diesem Abend einen ganz anderen Krankl kennen gelernt, einen der sich sichtlich wohl gefühlt hat unter Freunden und wo man niemandem etwas beweisen muss.
Hommage an die Trainer seiner Jugendjahre
Schon die Einleitung zu diesen Erzählungen war berührend, denn sie begann damit, dass er alle seine späteren Erfolge auf der Förderung und das Training seiner ersten Lehrer zurückführte; auf seinen Vater, der ihm nicht nur die Freude zum Fußballspiel, sondern auch die damaligen Spielerlegenden näher gebracht hat, seinen Trainern Robert Körner und
Seppi Pecanka.
Aber es begann nicht bei Rapid, es begann am Rax-Platz bei „Straßenbahn“, dem Vorgänger des heutigen Vereins „Wiener Linien“ und es begann bei Spielen im Park und nicht als Mittelstürmer sondern im Tor. Ins Tor hat man ihn abkommandiert, weil er noch zu den kleineren Buben gezählt hat. Ein damaliger Beobachter/Scout sah, dass der Bub sich furchtlos auf den Beton geschmissen hat, was auf einigen Mut hingedeutet hat. Der Bub fiel auf und wechselte zu Rapid. Der „Kaufpreis“ war ein Satz Dressen und 10 Bälle, ein Einsatz, der sich ganz besonders verzinst hat.
Andy Marek zählt unter Publikumsapplaus die ganz besonderen Leistungen in den 1970er Jahren auf.
Hans erzählt über sein „erstes Wohnzimmer“, das nach dem Sunderland-Stadion nachgebaute Stadion der Pfarrwiese.
Barcelona
Dann kommt die Erzählung über den Transfer des 25jährigen nach Barcelona um 13 Millionen Schilling. Allein seine Vorstellung in Barcelona muss für den jungen Spieler eine Sensation gewesen sein. Vor Tausenden Zuschauern im Stadion, mit vielen anwesenden Fernsehstationen, und das alles ohne Sprachkenntnisse. Aber mit Erfolg ist alles leichter. Hans schießt gleich im ersten Spiel ein Tor und diese Goalgetterqualitäten haben alles sehr erleichtert.
Unfall vor dem Europacup-Finale
Seine Frau lag nach einem Autounfall auf der Intensivstation, drängte aber darauf, dass Hans beim kommenden Europacup-Finale spielen soll. Hans schoss das Siegestor und der Pokal wurde von seinem Kapitän Asensi Frau Krankl gewidmet. Durch diesen tragischen Unfall ist die Freundschaft zu den Spielern und Funktionären von Barcelona besonders innig geworden.
Achtelfinale gegen Celtic
Dramatisch waren die Ereignisse im Achtelfinale des Europacups der Cupsieger, als Rapid gegen Celtic nach einem 3:1 Heimerfolg auswärts 0:3 unterlag, ein Spiel, das aber nach der Verletzung von Rudi Weinhofer durch einen Flaschenwurf in Manchester wiederholt werden musste. Bei diesem Wiederholungsspiel – erzählt Hans – hätte er erstmals bei einem Spiel Angst um sein Leben gehabt.
Europacup-Finale 1984/85
Unter großer Anteilnahme der Zuhörer wird ein Video vom sensationellen 5:0 1984/85 gegen Dynamo Dresden nach der 0:3 Auswärtsniederlage gezeigt. Ebenso wird das Finale gegen Everton gezeigt. Everton hatte in diesen Jahren die beste Mannschaft in England. ( Übrigens war Everton damals wohl die beste Mannschaft Europas (überlegen englischer Meister und wohl besser als Liverpool, dass im Meistercupfinale des gleichen Jahres bei der Heysel-Tragödie Juventus knapp unterlegen ist. Wegen der Vorfälle und der darauffolgenden Sperre der englischen Klubs konnte Everton auch im Jahr darauf nicht am Meistercup teilnehmen )
Interessant ist, dass die Verehrung des Hans Krankl so groß war, dass man ihm unmittelbar nach seiner aktiven Karriere als Spieler von Rapid als Trainer verpflichtet hat, so, als wären die Goalgetterqualitäten auch ein Garant für Erfolge als Trainer. Hans verweist selbstkritisch auf die Schwierigkeiten, mit denen ein Trainer kämpfen muss und auf den Anteil des Zufalls am gesamten Fußballgeschehen, der wesentlich über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.
Die 1990er Jahre
Michael Konsel, Christian „Büffel“ Stumpf, Carsten Jancker
Bei den Erzählungen rund um dieses Europacup-Finale kommt auch Michael Konsel zum Interview, weil er der einzige Spieler ist, der sowohl 1984/85 im Kader war und auch später 1995/96 und damit gehört er zu den Spielern mit den meisten Einsätzen.
Michael Konsel hat auch mit kleineren Verletzungen gespielt, weil es sich bei kleinen Verletzungen durch seinen Beruf als Bandagist kleine Behelfe angefertigt hat, die es ihm erlaubt haben zu spielen.
Christian Stumpf kam aus Oberösterreich und erzielte gleich im ersten Derby ein Tor.
Die wichtigsten Spiele auf dem Weg ins Europacup-Finale werden in Video gezeigt. Viele spaßige Erzählungen betreffen den einzigartigen Trifon Ivanov als genialen Spaßvogel. Christian Stumpf: „Trifon war ein Spieler, der sich am Vormittag rasierte und am Nachmittag wieder einen Vollbart hatte.“
Immer wieder wurde betont, dass diese Erfolgsserie ohne eine große Portion Glück nicht hätte zustande kommen könnte.
Wenn’s gut gelaufen ist, wurde seitens des Trainers Dokupil auf taktische Hinweise verzichtet und es hieß „Gehts raus und spielts Fußball“.
Interessant auch die weiteren Karrieren einzelner Spieler. Die Jahre bei Rapid waren die erfolgreichsten von Christian. Obwohl schon 36 Jahre alt, ging Michael Konsel zu AS Roma. Es gelingt ihm dort, von den Journalisten zum Spieler des Jahres gewählt zu werden. Die Fans des AS Roma wählen ihn ins Allstar-Team. Carsten Jancker geht zu Bayern München und wird dort Deutscher Meister und Champions-League-Sieger.
Wie sich Andy Marek eine Taxirechnung erspart hat
Die foglgende Begebenheit illustriert die Popularität von Michael Konsel in Italien: Andy kam mit seiner Frau am Flughafen in Rom an. Es stellt sich heraus, dass das Taxi sehr teuer sein würde. Da sieht Andy den Wimpel von AS Roma im Taxi hängen und der Fahrer gibt in Englisch zu verstehen, dass er ein begeistertet Fan von Michael Konsel ist. Andy zückt das Handy und ruft Michael Konsel an und übergibt das Telefon dem Fahrer und der beginnt gleich ein Gespräch mit seinem Idol – in Italienisch natürlich. Bei der Ankunft revanchiert sich der Fahrer: „No, You don’t have to pay.“
Die 2000er Jahre
Steffen Hofmann und Helge Payer
Gemeinsam für beide Spieler war die herausragende Funktion von Josef Hickersberger für ihre Entwicklung als Spieler. Es war in einem Trainingscamp in Gars am Kamp als Hickersberger Steffen, den 22jährigen „Piefke“*) (Steffens eigene Worte). Nach einem Telefonat mit dem Papa hat dann Steffen natürlich zugestimmt. Steffens Worte: „des gibt’s jo net“*). Helge: „Steffen war der beste Spieler, mit ich je zusammengespielt habe.“ (Für Steffen ist Kulo „der“ Rapid-Spieler schlechthin.)
Viel Raum wird auch dem legendären 7:0 gewidmet: Steffen: „Jeder weiß, wo er an dem Tag des 7:0 war – und von dieser Qualität gibt es nicht allzu viele Tage.“
Peter Pacult war als Trainer nicht immer einfach aber vielleicht hat er – bewusst oder unbewusst – die Mannschaft so zusammengeschweißt. Steffen bei der Heimfahrt vom 7:0 zum Trainer: „Trainer, des woa guat heit“ Zustimmendes „Mhmm.“ Steffen: „Heut‘ und morgen wird gefeiert aber am Dienstag trittst uns wieder in Oarsch, dann wer ma Meister.“
Andy an Steffen: „Torleute sind ein bisschen seltsam. Ist das bei Helge auch der Fall gewesen?“ Steffen: „Die Leute schießen dem Tormann einen Ball aus 5 Metern mit 100 kmh in die Schauze. So ein Tormann kann nicht ganz dicht sein! Funki ist eine Ausnahme, er war kein Tormann, er war und wird immer ein Künstler sein.“
Über Funki Feurer: Funki ging am Weg durch die Garage zu allen Spielern, die für das Training nicht aufgestellt worden sind und er wandte sich zu jedem einzelnen und sagte freundschaftlich „Buarli, bei mir hättest g’spielt“.
Dankesworte an Andy Marek
Steffen erzählt, wie sie die oft vielen Termine genervt haben, für die sie Andy Marek eingeteilt hat, doch jetzt, da man die Früchte dieser Fanarbeit an dem Zuschauerzuspruch erkennen kann, sind sie ihm dafür dankbar. Danke Andy! Standing Ovations für Andy!
Ausgewählte Bilder
Buchpräsentation
„Fußballer und Architekt Gerhard Hanappi„, Brüder Hardy und Michael Hanappi
Dieses Buch wurde wie von einer „Fußballmannschaft“, nämlich von 11 Autoren verfasst, darunter die Brüder und eine Enkelin von Gerhard Hanappi. Es zeichnet den Fußballer, den Architekten und den Menschen Hanappi nach. Besonders der Umstand, dass er zur Finanzierung seines Studiums das Einkommen aus dem Fußball genutzt hat, ist beeindruckend.
Noch ohne das frisch erworbene Buch selbst gelesen zu haben, las ich eine Rezension in Profil und die war durchaus erstaunlich:
Das Nachfolgestadion der Pfarrwiese sollte nach Wunsch der Vereinsführung von Rapid auch einen VIP-Bereich haben, doch Hanappi, der Architekt mit Arbeiterklassenbewusstsein, sah keinen Grund, einen Unterschied zwischen Fußballfans zu machen. Aus Ärger über diesen Konflikt mit Rapid ließ er in der Saison 1977/78 seinen Sohn Michael sogar bei der Austria spielen, wie Weltfußball und das Austria-Archiv zu berichten wissen. Gebaut wurde das Stadion – wie wir wissen – nach seinen Plänen, ohne VIP-Bereich.
Diese damalige Entscheidung hatte aber weitreichende Folgen für die Gebarung des Vereins und war mit ein Grund, warum ein Neubau nicht nur wegen der Baumängel so wichtig geworden ist, denn Rapid hat im Laufe der Jahre im Hanappi-Stadion wegen dieser fehlenden VIP-Räumlichkeiten den Anschluss an die internationalen Gepflogenheiten verloren.
Wir alle haben große Hochachtung vor diesem Spielermonument Gerhard Hanappi. Aber seine damalige Opposition gegen die einsetzende Kommerzialisierung erinnert an den heutige Tendenz eines Teils des Blocks zum „Football old style“. Hanappi konnte bei Rapid den Kommerzfußball durch das Stadionkonzept für etwa 35 Jahre zurückdrängen und hat damit möglicherweise die wirtschaftliche Entwicklung von Rapid erschwert. Vielleicht war aber das Fehlen eines größeren VIP-Bereichs ein Grund, dass sich die Fanszene bei Rapid nach dem Vorstellungen Hanappis bodenständiger entwickeln konnte und heute zur außergewöhnlichen Popularität von Rapid wesentlich beiträgt; wer weiß das schon.
Buchpräsentation „SK Rapid Wien“
Thomas Lanz
Rapid aus der Sicht eines Anhängers. Bitte bei Interesse das Buch im Fanshop kaufen oder auch die Veranstaltung in der Hauptbibliothek besuchen:
Links
- EwkiL-Bilder · EwkiL-Audio · EwkiL-Bericht · Ewkil-Bericht ·
- Rapid-Bericht · Rapid-Bericht · Rapid-Bericht ·
- Wikipedia-Artikel_Piefke ·
- Weltfußball-Michael_Hanappi ·
- AustriaArchiv-Michael_Hanappi
- Rezension in Profil
*) „Piefke“ Steffen
Steffen unterscheidet sich von anderen gebürtigen Deutschen, die Österreich zur Wahlheimat gemacht haben wie zum Beispiel Carsten Jancker oder der Kabarettist Dirk Stermann. Steffen hat eine sympathische Mischung aus seiner Muttersprache und österreichischen Sprachelementen entwickelt. Es wäre also höchst an der Zeit, dieses Attribut „Piefke“, das er sich an diesem Abend selbst scherzhaft verpasst hat, nur mehr bei solchen Veranstaltungen als Erinnerung an die Zeit zu verwenden, bei der alles begann.
Für uns alle hier eine Erinnerung an die Entstehung dieser ambivalenten Bezeichnung „Piefke“ für unsere Lieblingsnachbarn und Lieblingsmigranten.
Es war 1866 und Österreich verlor nach der Schlacht bei Königgrätz seinen Platz im Deutschen Bund – mit schwerwiegenden Folgen für den weiteren Verlauf der europäischen Geschichte. Die damaligen hegemonialen Bestrebungen von Preußen zeichneten für den negativen Beigeschmack des Begriffs „Piefke“. Die Geringschätzung des Kameraden „Schnürschuh“ – wie die späteren österreichischen Verbündeten im Ersten Weltkrieg von den Deutschen bezeichnet wurden – tat sein Übriges, um den negativen Charakter des Beinamens „Piefke“ für die Preußen zu verstärken.
Entstanden ist dieser Beiname wahrscheinlich als Erinnerung an das Bruderpaar Johann-Gottfried und Rudolf Piefke, beide Kapellmeister in der preußischen Armee, die im Anschluss an die Schlacht bei Königgrätz vor den Toren Wiens in Gänserndorf bei Wien aufmarschiert sind und dort spektakulär aufgespielt haben. Unter den herbeigeeilten Wienern soll sich der Ruf „Die Piefkes kommen“ verbreitet haben und so zum Sinnbild für 50.000 marschierende Preußen geworden sein. Dieser Begebenheit hat man in Gänserndorf eine Klanginstallation gewidmet.
Aber in unserem nunmehr vereinigten Europa ist dieser ursprünglich negativ besetze Begriff fast zu einem Kosewort mutiert. Steffen ist zu einem echten „Beutewiener“ geworden – wie ihn Ehrenpräsident Rudolf Edlinger nach der Rückholaktion von 1860 München seinerzeit genannt hat.
2 Antworten zu “Legendenabend”
[…] Wir erinnern uns noch, dass man Präsident Edlinger als „Sparefroh“ tituliert hat und er damals die Wortschöpfung des „negativem Eigenkapitals“, also Überschuldung, mehrfach anwenden musste. Damals war der Finanzbedarf größer als der durch die Einnahmen gegebene Spielraum. Der wichtigste Grund war, dass das Hanappi-Stadions keine ausreichenden Möglichkeiten zur Vermarktung bot. Die Gründe dafür reichen bis in die Planungszeit des Hanappi-Stadions zurück wie uns das Buch „Gerhard Hanappi, Fußballer Architekt“ verrät. (Details im Artikel „Legendenabend“.) […]
[…] Legendenabend (2019-05) ->“Piefke“ Steffen […]