Orden für Aufdecker?

Es ist ein unverhältnismäßig kalter Freitag, der 17. Mai 2019, Rapid II verliert im Schwechater Stadion gegen Mauerwerk 2:0. Im Publikum wird über ein Video gesprochen, das in den darauffolgenden Tagen die österreichischen Politlandschaft auf den Kopf stellt und uns wohl noch Jahre beschäftigen wird. Der Öffentlichkeit ist es ziemlich egal, wer das Video gedreht hat und warum, die Empörung über das Sittenbild zweier Politiker überwiegt die Detailfragen. Der eigentliche Gottseibeiuns des Geschehens, der Politiker, wird uns mit seiner zweifelhaften Moral noch lange beschäftigen.

Ziemlich genau ein Jahr später, am 14.5.2020 berichtet die Bundesliga über ein Video, das unerlaubtes Training beim LASK zeigt. Die Verhandlung vor dem Strafsenat führt (vorläufig) zu einem Abzug von 6 Punkten und nunmehr zu Tabellenplatz 2 für den LASK. Auch dieser Umstand wird uns noch lange beschäftigen. Der Öffentlichkeit ist es ziemlich egal, wer das Video gedreht hat und warum, die Empörung über das Sittenbild der LASK-Führung überwiegt die Detailfragen. Der eigentliche Gottseibeiuns des Geschehens, der LASK-Präsident, wird uns mit seiner zweifelhaften Einstellung zum Sport noch lange beschäftigen.

In beiden Fällen liegt vieles im Dunkeln, zum Beispiel die Herstellung des Videos und die Motivation dazu.

Von nicht befolgten Befehlen

Maria-Theresien-Orden
(Bild Wikipedia)

Beim Militär ist ein Befehl so etwas wie ein gesprochenes Gesetz. Darüber nachdenken und dann anders zu handeln ist nicht erwünscht und kann gefährlich sein. Sich also einem Befehl zu widersetzen ist keine gute Idee.

In den Zeiten der Monarchie gab es den berühmten Maria-Theresien-Orden für eine besondere Art von Tapferkeit im Krieg. Ausgezeichnet wurden Offiziere – genaugenommen – dafür, dass sie gegen den Wortlaut eines Befehls gehandelt haben – und damit Erfolg hatten. Der Originalwortlaut ist „…Waffentaten, die ein Offizier von Ehre hätte ohne Tadel auch unterlassen können“.

Der Wappen im Orden ist mit dem Schriftzug FORTITUDINI (=Der Tapferkeit) umschlungen.

Nicht jeder, der einen Befehl anderswie ausgeführt hat, bekam auch einen Orden, es hätte auch eine Kugel sein können, der Unterschied lag im Erfolg oder Misserfolg der Aktion.

Die Verweigerung des „Trümmerbefehls“ vom 23. August 1944 (Paris sollte den Alliierten nur als Trümmerfeld in die Hände fallen) durch den Stadtkommandanten von Paris Dietrich von Choltitz bewahrte die Stadt vor Zerstörung.

Von gebrochenen Gesetzen

Im zivilen Alltag regeln Gesetze das Miteinander und es ist erstaunlich, wie gut das trotz aller individuellen Bedürfnisse funktioniert. Als es Gesetz wurde, Masken zu tragen, dann machten wir das, und es war ermutigend, wie gut die Umsetzung der ungewohnten Regeln gelungen ist und wie es uns als Kollektiv gelungen ist, die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Manchmal ist aber die Einhaltung von Gesetzen und Regeln für betroffene Personen so unerträglich, dass sie von ihnen nicht mehr eingehalten werden und dass die Zivilgesellschaft – anders als vielleicht Justizbehörden dafür Verständnis zeigt. Die in einer Grauzone der Legalität operierenden Whistleblower unserer Tage erweisen der Zivilgesellschaft einen großen Dienst – wenn sie Erfolg haben.

In der Regel sind es Journalisten, die sich investigativ betätigen. Im Erfolgsfall erhalten sie dafür Publizistikpreise – wie zum Beispiel Alfred Worm 1981 den Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis für die Aufdeckung des AKH-Skandals.

Die Ausforschung von Sachverhalten durch Journalisten und ihre Informanten wird nicht immer legal sein, doch eine eventuelle Straftat verwandelt sich in eine Auszeichnung – im Erfolgsfall.

Whistleblower informieren die Öffentlichkeit über Vorgänge, die sie in ihrer beruflichen Funktion geheimhalten müssten. Es stehen einander also eine Straftat und öffentliches Interesse gegenüber. Kronzeugen wird bei einer der Auflärung dienlichen Aussage eine Strafminderung zugesichert. Das Rechtswesen bewertet Straftaten, die zur Aufdeckung anderer, möglicherweise größerer Straftaten führen, also entsprechend.

Cui bono (Wem nützt es?)

Die Motivforschung bei Straftaten ist ein wichtiges Element bei ihrer Aufklärung. Das auf Cicero zurückgehende Zitat Cui bono (Wem nützt es?) spielt dabei eine wichtige Rolle. Aber die Antwort auf diese Frage kann auch in die Irre führen. Einerseits ist diese Frage durchaus hilfreich bei der Ausforschung der Motive. Anderseits kann es auch der Ausgangspunkt von Verschwörungstheorien sein, wenn nämlich zwischen Ereignissen ein Zusammenhang hergestellt wird, der aber gar nicht besteht.

Wenn jemand von der Corona-Krise profitiert – zum Beispiel die Hersteller von Schutzmasken oder Impfstoffen – dann ist er nicht a priori auch der Verursacher der Pandemie. Auch dafür haben die Lateiner einen passenden Spruch parat: Cum hoc ergo propter hoc (Fehlschluss durch Scheinkausalität). Man muss also bei der Ursachenforschung mit „Cui bono“ immer auch im Auge behalten, dass ein beobachteter Zusammenhang auch rein zufällig sein kann.

Aktueller Anlass

Das Ibiza-Video vom Mai 2019 und das Video von unerlaubten Trainings beim LASK vom Mai 2020 haben eine verblüffende Ähnlichkeit (wenn auch nicht dieselbe Dimension) und berühren die hier skizzierten Aspekte. Wir können uns also die Fragen stellen

  • Wem nützen diese Videos?
  • Wer hat sie mit welchem Motiv angefertigt?
  • Gibt es Hintermänner?
  • Wollen wir diese Dinge angesichts der Erkenntnisse überhaupt wissen?
  • Sind die kompromittierten Personen in ihren Ämtern tragbar?
  • Sollten erfolgreiche Aufdecker nicht mehr Anerkennung bekommen?

…und den unbekannten Kameramännern einen Orden im Namen der zivilen Fußball-Community verleihen.

PS: Bitte bei der Einordnung der hier publizierten Artikel immer auf den Autor schauen. Die Artikel in diesem Tagebuch stammen bisher von Gerhard Niederhuber (Obmann des „Klub der Freunde des S.C.Rapid“, Verfasser des Grünzeug) und Franz Fiala (alles andere). Während Gerhard Niederhuber die Meinung des Vorstands des „Klub der Freunde“ vertritt, sind die anderen Artikel eine persönliche Sicht auf das Fußballgeschehen.

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