Keine Abo-Rückforderungen

Wir sind nicht reich, aber wir sind viele. Und wir können Rapid helfen, in dem wir einfach nichts tun und keine Forderungen stellen. Ähnlich wie beim Virus, als wir durch Zuhausebleiben zu potenziellen Lebensrettern wurden.

Ein Fußballfreund fragte mich, ob ich mir von Rapid die restlichen fünf Heimspiele zurückzahlen lassen würde. Meine spontane Antwort war „natürlich nicht“. Aber so wirklich überlegt habe ich mir das damals nicht, es war eher eine spontane Reaktion.

Aber es gefährdet unser gemeinsames Anliegen „Rapid“, wenn wir etwas zurückfordern, daher:

Bitte keine Rückforderungen an Rapid!

Keine Regel ohne Ausnahme: Wer selbst in dieser großen Krise persönlich existenziell gefährdet ist, muss natürlich um jeden Euro kämpfen. Diese selbst stark betroffenen Personen sollen natürlich ausgenommen sein. Aber alle anderen sollen weiterlesen.

Hans vom Fanklub Speising in Purbach

Videobotschaften

Bei einem Besuch bei Hans in Purbach zeigte mir dieser ein selbstgemachtes Video mit einer Aufforderung an alle Abonnenten, keine Rückforderungen an Rapid zu stellen. Hans war früher Gewerkschafter und ist ein geübter Redner. Ich bin eher ein geübter Schreiber, daher erspare ich Euch ein schlechtes Video.

Aber bitte schaut Euch die Videos mit den Botschaften an, die Rapid-Fans an uns richten.

Ich skizziere hier einige Aspekte der aktuellen Situation. Und das ist – wie bei allen Einträgen in das Tagebuch – eine sehr persönliche Sicht und muss sich nicht mit dem Standpunkt des Vorstands des „Klub der Freunde“ decken.

Trügerische Ruhe

Das Rapid-Umfeld erscheint uns wie früher, außer dass eben Fußball nicht vor Publikum gespielt wird.

Aber Rapid in der uns bekannten Form funktioniert nur bei konstanter Zufuhr von (Geld-)energie. Alle Einnahmen sind weggebrochen. Personal- und Kreditkosten laufen aber weiter. Spieler und Führung haben auf bedeutende Gehaltsbestandteile verzichtet, weil sie die Bedrohung noch viel klarer sehen als wir Außenstehende.

Staatliche Unterstützung wird sicher gewährt, wenn es um die Aufrechterhaltung der Beschäftigungsverhältnisse geht. Aber der laufende Kapitalbedarf eines Großklubs ist beträchtlich und das Stadionprojekt erfordert diesen kontinuierlichen Geldfluss. Bleibt dieser aus, drohen die Kreditraten zu einer existenziellen Falle zu werden.

Die Einnahmen sind bereits drei Monate lang weggebrochen Wir wissen vieles nicht, etwa wie lange Reserven reichen, und was passiert, wenn die fälligen Kreditraten nicht zurückgezahlt werden werden können.

Und zu all den Problemen kommen die Geisterspiele, die möglicherweise mehr Kosten verursachen als sie an Einnahmen bescheren. Insbesondere dann, wenn Abonnenten auf die Idee kommen, den Gegenwert der Spiele von Rapid zurück zu verlangen.

Um welche Summe geht es da?

Sagen wir, eine Abokarte kostet 300 Euro und etwa ein Drittel von insgesamt 16 Heimspielen kann nicht besucht werden, dann müsste Rapid – wenn alle ihre anteiligen 100 Euro zurückfordern – bei 15.000 Abos 1.500.000 Euro zurückzahlen. Wahrscheinlich ist es viel mehr, weil man die VIP-Abos berücksichtigen muss.

Und jetzt stellen wir uns vor – so genau wissen wir es ja nicht – dass sich die Kassa zunehmend leert und im Juli eine Rate für das Stadion fällig wird und diese Rate in dieser Größenordnung liegt. Die Bank stimmt einer Stundung nicht zu, Rapid wäre insolvent.

Stark vereinfacht könnte man sagen: „Rapid wird insolvent, weil seine Mitglieder ihr Abo von Rapid zurückfordern“.

Roman Gregory „Wir sind Rapid“

Wir sind Rapid!

Wie tickt eigentlich Rapid? Wem gehört Rapid?

Die Antwort auf diese Frage wurde bei vielen Hauptversammlungen gegeben.

Rapid ist ein Mitgliederverein, Rapid gehört den Mitgliedern.

Wenn Rapid wirtschaftlich nicht mehr weitergeführt werden kann, sind wir alle „den Stolz von Wien“ los. Und wer kann das wollen? Keiner von uns!

Und um die Mitglieder und Abonnenten nicht zu verunsichern, wird das wahre Ausmaß des Schadens nicht in aller Deutlichkeit kommuniziert, wir können es derzeit nur erahnen. In Interviews von Zoki konnte man aber heraushören, dass Rapid nicht nur eine Krise durchlebt, sondern dass diese Krise eine existenzielle ist.

Und in dieser Situation sind wir als ideelle Eigentümer gefordert, alles zu unternehmen, dass Geld beim Verein verbleibt. Und dazu gehört, dass wir den Anteil der nicht für Besucher zugelassenen Spiele, nicht zurückfordern.

Bild Pixabay

Rapid ist besonders betroffen!

Die Größe ist es, die ein längeres Überleben ohne Einnahmen erschwert! Wer wird eine länger dauernde Dürre in der Savanne eher überleben, die Maus oder der Elefant? Eben! Und genauso könnte es bei Fußballvereinen sein, denn der Fußball lebt genau genommen von der Hand in den Mund mit einem kleinen Vorrat, nämlich den jährlichen Vorauszahlungen der Abonnenten, Mitglieder und Sponsoren. Und genau diese drohen wegzubrechen, wenn jemand auf die Idee kommt, sie zurückzufordern.

Der Weiterbestand von Rapid ist schwieriger zu bewerkstelligen ist als jener des WAC oder der Admira. Das liegt einfach an der zu erhaltenden Größe des Vereins oder besser gesagt der GmbH, denn der Verein ist es ja gar nicht, der die Personalkosten zu tragen hat, es ist die GmbH (im Eigentum des Vereins).

Wer sich alt Teil von Rapid sieht, fordert kein Geld zurück.

Was ist eigentlich ein Kauf bei Rapid?

Wenn Du ein Rapid-Trikot erwirbst oder eine Eintrittskarte kaufst, was ist das eigentlich? Ist das ein faires Geschäft? Seien wir ehrlich, alle Produkte, die man bei Rapid erwirbt, erwecken nur den Eindruck eines normalen Kaufs, denn hier verkauft jemand nicht allein ein Produkt, das nach den Regeln eines ordentlichen Kaufmanns kalkuliert wurde, hier werden Produkte an uns Anhänger verkauft, die wir von genau dieser Marke abhängig sind und nicht wie bei einem Waschmittel zu einem billigeren Geschäft oder Anbieter wechseln können. Rapid ist ein Emotionsmonopolist. Wir wollen nicht irgendein Kleidungsstück, wir wollen eines mit dem Rapid-Wappen, eines aus der aktuellen Kollektion. Und wir sind bereit, viel dafür zu bezahlen. Und es kommt uns nicht einmal teuer vor, denn es ist ja letztlich für unseren Herzensverein. Genau so ist das mit den Eintrittskarten, weil es uns nicht um Fußball im Allgemeinen geht, sondern nur um den grün-weißen in Hütteldorf.

Wir sollten daher die Geschäfte mit Rapid weniger als einen normalen Kauf betrachten, bei dem man durch die persönliche Auswahl zur Preisbildung beiträgt. Ein Kauf bei Rapid ist eine Investition in die Idee „Rapid“ bei der man eine Ware als eine Art „Geschenk des Hauses“ dazu bekommt. Mit jedem Kauf stärken wir die Marke „Rapid“ und ermöglichen eine größere finanzielle Beweglichkeit in sportlichen Belangen.

Mit dem Kauf einer Abokarte investieren wir in Rapid, sind wir am Projekt „Rapid“ ein bisschen beteiligt. Der Preis ähnelt eher den Preisen, den umgekehrt Vereine bereit sind für Spieler zu bezahlen oder Kunstsammler für Kunstobjekte.

Wenn wir als Eigentümer von Rapid in dieser Krise Geld aus der Rapid-Kassa abziehen, riskieren wir, dass es Rapid in der von uns geschätzten Form nicht mehr geben wird. Und das wollen wir alle nicht.

Bild aus Pixabay

Krisenmodus

Wenn freie Wirtschaft nicht möglich ist, muss ein Staat / eine Firma in einen Krisenmodus umschalten, und das passiert auch zum Teil. Es geht ums Überleben aller, vor allem jener, die ohne Einkünfte sind und das sind eben vor allem Veranstaltungsbetriebe. Genaugenommen muss man die Wirtschaftsform von „frei“ auf „Kloster“ oder auf „Kibbuz“ umschalten und wenn alles vorbei ist, wieder auf „Wirtschaft“. Das heißt, während der Krise müssen die geringen vorhandenen Mittel so verteilt werden, dass allen ein Überleben möglich ist. Der Markt wird temporär außer Kraft gesetzt.

Bei einem normalen Geschäftsfall ist es klar, dass bei Ausfall der Leistung alle Vorauszahlungen zurückzuzahlen sind. Es gibt einen Schuldigen am Nicht-Zustandekommen des Geschäfts.

Im Falle einer Epidemie gibt es keinen Schuldigen, nur Betroffene. Und betroffen sind wir alle. In einem solchen Zustand – also in einem Krisenmodus – müssen andere Regeln angewendet werden als in einer freien Wirtschaft. In diesen Tagen müssen wir leben wie in einem Kloster; Gewinn und Verlust werden zum Zwecke des Überlebens aller auf alle verteilt.

Wesentlich ist die Verteilung des Schadens auf möglichst viele Schultern. Wenn Rapid überleben soll, dürfen wir nicht etwas zurückfordern, das nicht schuldhaft ausgefallen ist.

2.1.2020 Kabarett Simpl

Kunst und Sport

Kunst- und Sportbetriebe sind in einer seltsamen Allianz. Beide leben von Publikum und das ist derzeit ausgesperrt. Während aber Teile des Kunstbetriebs staatlich finanziert werden, ist das beim Fußball nicht so. Praktisch alle Verdienstmöglichkeiten von Rapid sind weggebrochen.

Zwei der am meisten betroffenen Bereiche, Kabarett und Fußball, gemeinsam mit der Ursache und der „Ursache“ der Ursache auf einem Bild.

Nicht Rapid, wir sind krank

Die meisten von uns sind ja gesund, und das ist gut. Aber wir sind potentiell krank. Die Weltgemeinschaft ist potenziell erkrankt und daher können wir Spiele derzeit nicht persönlich besuchen, egal ob in Wien, Paris oder Rom, Rapid selbst kann rein gar nichts dafür, dass seine Anhänger potenziell krank sind. Aber Rapid leidet wegen des großen Finanzbedarfs mehr unter dieser Krise als jeder Einzelne von uns.

Diese Situation ist durch höhere Gewalt entstanden, und dafür gibt es keinen wirklich Schuldigen. Die Last muss auf möglichst viele Schultern verteilt werden und ein Verzicht auf Ansprüche aus dem Abo-Vertrag entspricht einer solchen Übernahme eines Teils der gemeinsamen Verantwortung für den Verein.

Niemand von uns hat Schuld an Corona, die Bundesregierung nicht, Rapid nicht und auch jeder Einzelne von uns nicht. Rapid brechen alle Verdienstmöglichkeiten weg (außer Merchandising). Spieler verzichten auf große Teile ihres vertraglich festgesetzten Gehalts, die Geschäftsführer tragen ebenso vorbildhaft dazu bei; und wir?

Wir sind nicht reich, aber wir sind viele. Unser kleiner Anteil an der Krisenbewältigung könnte sein, dass wir unsere nicht konsumierten Spiele nicht zurückfordern. Kein Aufwand für uns, eine große Hilfe für Rapid.

Stell‘ Dir vor, Du wärst krank.

Das kann wohl jedem passieren, in jedem Alter. Sagen wir, Du wärst in der zweiten Märzwoche in einem Krankenhaus gelandet und wärst erst jetzt, Mitte Mai wiederhergestellt worden. Du hättest alle Heimspiele von Rapid in der Meistergruppe verpasst und Rapid hätte Dir die Karte nicht ersetzt. Du hättest die Karte an andere weiterverkaufen können, aber wem genau? Alle Deine Freunde und Bekannten sind ja auch Abonnenten.

Ist das nicht jetzt auch der Fall? Wir alle sind krank! Nicht ein Einzelner, die Gesellschaft als Ganzes. Eine übertragbare Erkrankung ist die Erkrankung des Kollektivs und daran kann man auch gut sehen, dass nur kollektive Maßnahmen gegen das Virus etwas bewirken können. Eine dieser Maßnahmen ist der Verzicht auf Großveranstaltungen und das ist ein Teil der Heilbehandlung.

Und weil wir nun alle (potenziell) erkrankt sind, können wir das Stadion nicht besuchen und sollen daher auch nichts zurückfordern.

Nicht Rapid ist krank, wir sind krank. Wer also unbedingt auch Schuldige sucht: wir selbst sind es.

Unser Engagement

Wir alle haben schon so viel in Rapid investiert, dass wir unser Verhalten gegenüber dem Verein nicht mehr rational in einer Kosten-Nutzen-Überschlagsrechnung kalkulieren. Wir investieren, solange der Geldvorrat es zulässt. Ein sich Zurückziehen aus der Rapid-Beziehung bedeutet ein Eingeständnis, dass alle bisherigen Investitionen ein Fehler waren. Niemand würde das zugeben wollen.

Daher bleibt jeder von uns bei Rapid, auch wenn es einmal schlechter geht.

Eine Gefährdung der Existenz von Rapid bedeutet, dass alle bisherigen Investitionen – und die sind bei vielen Rapid-Anhängern tatsächlich lebenslang – verloren sind.

Rapid ist keine Aktiengesellschaft und unterliegt daher keiner Veröffentlichungspflicht bei schlechten Geschäftszahlen. Wir wissen also nicht, ob und wie schlecht es Rapid wirklich geht. Aber nehmen wir an, dass Abonnenten tatsächlich die Kosten für die nicht besuchbaren Spiele zurückfordern würden und dieser Umstand zu einer Insolvenz führen würde.

Durch eine Insolvenz würde alles, was seitens der Mitglieder bisher in Rapid investiert wurde, infrage gestellt.

siehe Too-much-invested-to-quit-Syndrom

„Ich hab‘ ja nichts zu verschenken…“

Von MacKrys - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=63726672
Von MacKrys – Eigenes Werk,
CC BY-SA 4.0

Das ist einer der berühmtesten Aussprüche von Niki-Nazionale. Was wäre, wenn Niki Rapid-Anhänger gewesen wäre, wie hätte er wohl seinen Leitspruch angewendet? Wessen Geldbörse hätte er mit „ich“ gemeint? Seine eigene oder die seiner Airline (=seines Vereins)? Hätte er sich also im Fancorner angestellt und sein Geld zurückgefordert?

Hätte Niki gesehen, dass es seiner Airline an den Kragen geht und es auf jeden Cent ankommt, er hätte wohl alles unternommen, um die Vorauszahlungen seiner Kunden zum Schutz seiner Airline nicht zurückzahlen zu müssen. Und wenn er selbst einen Flug gebucht hätte, der nicht hätte stattfinden können, hätte er sein Ticket als einen Eigenkapitalzuschuss gesehen, der mitgeholfen hat, das Überleben seiner Airline zu sichern.

Und Rapid ist nicht irgendeine Airline, Rapid sind wir, Rapid ist unsere Airline. Wir selbst haben es in der Hand, ob Rapid überleben kann. Halten wir zusammen und sichern wir den Weiterbestand unserer gemeinsamen Idee, indem wir keine Forderungen an den Verein stellen.

Bisherige Artikel zur Corona-Epidemie