Angst im Fußball
Angst des Schützen
Der plakative Titel „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ von Peter Handke ist milchmädchenhaft unüberlegt gewählt, denn ein Tormann, der zu einem Elfer antreten muss, braucht keine Angst zu haben; er kann aus dem Duell nur als Held hervorgehen aber nie als ein Verlierer. Der Grund ist ganz einfach: die Statistik! Aus der Beobachtung vieler Ergebnisse von Elfmeter-Entscheidungen wissen wir, dass 75% alle Schüsse zu einem Torerfolg führen und daher ein Strafstoß vom Zuschauer fast schon als sicheres Tor angesehen wird. -> Details (dfb). Dem Tormann wird bei einem Torerfolg des Gegners nie ein Vorwurf gemacht. Angst muss nur der Schütze vor der Blamage haben, eine solche 75%ige Chance nicht genutzt zu haben.
Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass unsere Spieler eine solche Angst auch vor den Tor entwickeln – ganz ohne Elfmeter-Entscheidung – und das Tor prompt verfehlen.
Angst der Mannschaft
2005 warb Rapid für das „Abo für die Festung“
Die Heimstärke war legendär. Rapid feierte 16 Spiele mit nur drei Remis. Diese Zeiten sind vorbei, die Verhältnisse kehrten sich im Allianz-Stadion geradezu um.
Das Hanappi-Stadion war damals mit 17.500 Zuschauern ausverkauft, und einige Male war das tatsächlich der Fall.
Im neuen Allianz-Stadion wären 17.500 Zuschauer schon ein weniger gut besuchtes Spiel. Bei Top-Spielen freut sich der Kassier meist über mehr als 20.000 Zuschauer. Unter dem „Dirigat des Block-West“ erzeugt das Publikum eine ohrenbetäumende Kulisse, die zu einem Markenzeichen geworden ist und die eine tolle Fußballwerbung darstellt.
Alles angerichtet für den Erfolg – wäre da nicht gleichzeitig eine Erwartungshaltung, die – getrieben von der Marketing-Erzählung eines „Rekordmeisters“ – von einem Selbstverständnis des Siegens ausgeht und die schon ein Untentschieden als Niederlage udn eine Niederlage als eine Katastrophe bewertet.
Andy Herzog war während eines Heimaturlaubs – er ist ja jetzt Co-Trainer der Koreanischen Nationalmannschaft – bei Sky zu einer Spielanalyse eingeladen und sagte, dass die Spieler von Rapid möglicherweise die Reaktion der Publikums auf weniger berauschende Ergebnisse fürchten, und diese Angst nehmen sie schon zu Beginn des Spieles unbewusst mit aufs Spielfeld. Das schlechte Ergebnis ist dann nichts anderes als das Ergebnis einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. (siehe Paul Watzlawick über die Konstruktion der Wirklichkeit)
Diese vermutete unbewusste Angst unserer Spieler vor dem eigenen Publikum führt zu einer auffälligen Heimschwäche in der Zeit seit dem Einzug in das Allianz-Stadion, die in völligem Gegensatz zur Eigendarstellung der Vereins ist. Das Leitbild des SK Rapid (youtube.com, 2023)
Angst der Funktionäre
Und wie geht’s dem Präsidium, wenn der Abstieg in die Qualifikationsgruppe droht und die Hauptversammlung vor der Tür steht? Genaugenommen ist das Präsidium ebenso Passagier und hilflos wie wir alle, fürchtet aber die Reaktion der Mitglieder und eine eventuell aus dem Ruder laufende Versammlung.
Erinnern wir uns an das Hartberg-Spiel. Dieses Spiel war das letzte vor der Länderspielpause aber auch das letzte vor der Hauptversammlung. Was glaubt Ihr, wäre gewesen, wenn unsere Mannschaft das Spiel gedreht hätte? Gar nichts wäre dann gewesen, wir hätten unsere Helden gefeiert, und die Hauptversammlung wäre ohne weitere Anmerkungen zum Trainerposten über die Bühne gegangen.
Mit der Niederlage aber regierte die Angst vor dem Vorwurf der Mitglieder, nicht richtig und entschieden genug zu handelt. Die Kündigung des Trainers war die Folge.
Dass Präsident Wrabetz die Entscheidung als „alternativlos“ bezeichnet hat, hat mich belustigt. Warum Alternativen, also zum Beispiel die einfachste, den Trainer nicht zu kündigen, nicht infrage gekommen sind, wurde nicht erklärt. Vielleicht hat man sich mangels eigener Kompetenz einfach dem Vorschlag von Markus Katzer, dem neuen starken Mann bei Rapid, angeschlossen.
Gemessen am Punkteschnitt der letzten Trainer, wäre keine der ausgesprochenen Kündigungen (mit Ausnahme des SRTaZ*) notwenig gewesen. Alle Kündigungen erfolgten „aus dem Bauch“ und mit der Angst vor einem Fanprotest im Rücken. Daniel Mandl hat den Punkteschnitt der letzten Rapid-Trainer verglichen und keine markanten Unterschiede feststellen können. Am besten schnitt noch Gogo ab. Barisic vs. Vorgänger: Ein Punkteschnitt, der Fragen aufwirft (abseits.at)
Das bedeutet, dass die Trainerentlassung nicht nach ihrer Langzeitleistung erfolgt, sondern anlassbezogen und Teil einer überzogenen und selbst konstruierten Erwartungshaltung ist. Interessanterweise erfolgen diese Trainerentlassungen immer im Herbst – von der Hauptversammlung (mit Ausnahme des SRTaZ*).
*) SRTaZ Schlechtester Rapid-Trainer aller Zeiten