Asymmetrie
Die Spielfreude unserer Mannschaft unterliegt in dieser Saison einer auffälligen Asymmetrie, die ganz gegen die sonstigen statistisch erhobenen Erfahrungswerte gerichtet ist, auch gegen die der eigenen Fußballgeschichte. In der Folge werden daher die historischen Daten aller Bewerbspiele von Rapid mit den Daten der aktuellen Saison verglichen.
Heim- und Auswärtserfolg
Frühere Ergebnisse
In 2006 Heimspielen hat Rapid das Ergebnis S,U,N=1321,345,340 und daher 4408 Punkte oder 2,2 Punkte pro Spiel und in 1925 Auswärtsspielen das Ergebnis S,U,N=847,445,633 und daher 2986 Punkte oder 1,55 Punkte pro Spiel erzielt.
Rapid hat also traditionell eine große Heimstärke und erreicht bei Heimspielen um 0,6 Punkte mehr als bei Auswärtsspielen.
Laufende Saison
Die Homepage des „Klub der Freunde“ zeigt uns die Ergebnisse der laufenden Saison jeweils in getrennten Tabellen für Heim- und Auswärtsspiele auf der Seite
http://klubderfreunde.at/rapid/rapid-i/liga-tabelle-runde/. Das Ergebnis präsentiert sich so:
Tabelle bei Heimspielen
Tabelle bei Auswärtsspielen
In 15 Heimspielen hat Rapid das Ergebnis S,U,N=7,5,3 und daher 26 Punkte oder 1,73 Punkte pro Spiel und in 14 Auswärtsspielen das Ergebnis S,U,N=6,5,3 und daher 23 Punkte oder 1,64 Punkte pro Spie erzieltl.
Rapid hat also derzeit eine nur leichte Heimstärke und erzielt bei Heimspielen nur um 0,1 Punkt mehr als bei Auswärtsspielen.
Dass Rapid in der Heimtabelle weiter hinten liegt eben daran, dass andere Vereine eine bessere Heimstärke aufweisen als Rapid.
Erste und zweite Halbzeit
Grundsätzlich wissen wir, dass mit Fortschreiten des Spiels mehr Tore fallen. Diesem Umstand verdanken wir auch das Einklatschen der Rapid-Viertelstunde, denn durch eine besondere Anstrengung in der letzten Spielphase kann es gelingen, den müde gewordenen Gegner niederzuringen. Diese Beobachtung gilt nicht nur für Rapid, sondern für alle Fußballmannschaften.
Weil Halbzeitergebnisse im Allgemeinen nicht untersucht werden, musste ich die Halbzeitergebnisse aus den Tabellen herausrechnen. Von den 3.931 Pflichtspielen sind nur bei 3.661 Spielen die jeweiligen Halbzeitergebnisse bekannt.
Frühere Ergebnisse
Wie wäre das Spiel ausgegangen, wenn man das Ergebnis der ersten oder der zweiten Halbzeit allein gewertet hätte? Um die Sache etwas einfacher zu machen, wurden die Punkte berechnet, weil man dazu nur eine Maßzahl benötigt.
Das Ergebnis ist wie folgt:
S U N Punkte
Halbzeit 1 1.597 1.246 818 6.037
Halbzeit 2 1.766 1.087 808 6.385
Gesamt 2.040 743 878 6.863
Das Ergebnis zeigt deutlich, dass die zweite Halbzeit die stärkere der beiden Halbzeiten ist. Interessant ist weiters, dass die Punktezahl des Gesamtergebnisses deutlich über dem der beiden Halbzeiten allein ist. Das kann man leicht am letzten Spiel in Mattersburg erklären. Die erste Halbzeit wurde 4:1 gewonnen, die zweite Halbzeit 0:1 verloren. Insgesamt war es aber ein Sieg. Es liegt an der taktischen Einstellung nach einem erfolgreichen Zwischenstand, dass dann eben ein Gang zurückgeschaltet wird oder eben umgekehrt, bei einem Rückstand der Turbo gezündet wird.
Laufende Saison
Tabelle der ersten Halbzeit
Tabelle der zweiten Halbzeit
Das Ergebnis ist wie folgt:
S U N Punkte
Halbzeit 1 14 12 3 54
Halbzeit 2 7 13 9 34
Gesamt 13 10 5 49
Aus dieser Auswertung erkennen wir, dass es im historischen Vergleich untypisch ist, dass die erste Halbzeit für das Gesamtergebnis mehr verantwortlich ist als die zweite. In der heurigen Saison gibt aber die erste Halbzeit den Ton an, aber das genau umgekehrte Ergebnis hätten wir erwartet. Diese dramaturgische Einlage eines Schluss-Furioso ist es aber, das das Publikum mit nach Hause nehmen will, nicht einen Zittersieg gegen St. Pölten.
Diagnose
Unser geliebtes Rapid lässt wichtige Tugenden vermissen:
- Die für einen guten Saisonerfolg sehr wichtige Heimstärke ist nicht gegeben. Der Erfolg bei Heim- und Auswärtsspielen ist derzeit nahezu gleich. Als Zuschauer haben wir das Gefühl, dass wir im Allianz-Stadion noch nicht wirklich angekommen sind und das trotz bester Bedingungen für alle Beteiligten. Möglicherweise ist die fehlende Heimstärke gar nicht auf einen Mangel unserer Mannschaft, sondern auf die große Motivation der Gegner im schönsten Stadion Österreichs zurückzuführen.
- Die für Rapid typische Stärke in der zweiten Halbzeit hat sich ins Gegenteil verkehrt. Die erste Halbzeit dominiert derzeit das Endergebnis. Das sieht man sowohl an der Tabelle als auch konkret an den beiden letzten Spielen gegen Mattersburg und St. Pölten und ebenso an zahlreichen Spielen, bei denen in der ersten Halbzeit ein respektabler Vorsprung herausgespielt wurde, der dann in der zweiten Halbzeit verspielt wurde. Das dürfte nicht an konditionellen Problemen liegen, sondern entweder an einem fehlenden Motivationsschub in der Pausenansprache des Trainers oder an einer grundsätzlich mangelhaften Einstellung, deren Ursachen aber im Unklaren liegen. Wie schlecht man allerdings beraten sein kann, wenn man der Forderung der Tribüne nach einem anderen Trainer folgt, wissen wir ja aus leidvoller Erfahrung aus dem Vorjahr.
Die Trainer-Falle
Unser Trainer
Gogo war im Vorjahr die richtige Trainer-Lösung in einer verzwickten Situation. Und er hat die Ergebnisse stabilisiert. Mit etwas Glück wäre mehr möglich gewesen, aber gewisse Schwächen sind auch ohne den Glücksfaktor gegeben und die obigen Zahlen zeigen eventuell an, wo man „drehen“ muss.
Wenn man die Meinung des Publikums einholt, ist deren Antwort meist eine sehr einfache: man will einen anderen Trainer.
Aber wie käme es dazu?
Ein Trainerwechsel wird wohl nach den Erfahrungen des Vorjahrs wohl nur bei dringendem Handlungsbedarf vorgenommen.
Zum Beispiel bei anhaltendem Misserfolg. Vorzeitiges Ausscheiden aus dem Cup und Nicht-Erreichen des internationalen Startplatzes. Das würde zwar dem Publikumswunsch zur Folge haben aber wer will das schon? Doch niemand!
Wenn aber die Ergebnisse gut sind, wir im Cup weiterkommen und den dritten Platz in der Tabelle halten können, dann wäre es doch weder fair noch notwendig, eine Änderung anzupeilen, oder?
Daher wäre es unsere vordringliche Verpflichtung, die Mannschaft und den Trainer zu unterstützen und nicht ihn auszupfeifen!
Wir sitzen also in einer Art Zwickmühle. Wollen wir, dass der Trainer geht, müssen die Ergebnisse schlecht sein. Das wollen wir natürlich nicht und daher bleibt er, was auch wieder nicht nach unserem Geschmack ist. Ganz ähnlich sind die Ergebnisse und die Reaktionen darauf. Man gewinnt Spiele, die man früher eher verloren hätte, dennoch ist das Publikum unzufrieden, weil man das Dilemma geradezu spürt, dass die Ergebnisse einen Zustand festigen, den man nicht haben will. Daher könnte auch der Charakter der Spiele so unklar sein und zwischen sehr guten Spielphasen und eher bedenklichen Spielphasen schwanken. Es scheint, als könne sich auch die Mannschaft nicht so recht entscheiden, ob sie nun den Trainer will oder nicht will.
Nehmen wir an, eine Mannschaft kommt mit ihrem Trainer nicht mehr aus, und es gibt genug Beispiele, sicher auch bei Rapid, in denen das der Fall war. Fußball ist keine sehr demokratische Angelegenheit; im Gegenteil erscheint das System sehr hierarchisch und autoritär zu sein. Spieler haben in der Trainerfrage keine Rolle. Sie bekommen den Trainer vorgesetzt und keiner von ihnen wird um seine Meinung über den alten oder den neuen Trainer gefragt. Ob diese Vorgangsweise gescheit ist, bezweifle ich. Da man es aber so pflegt (die letzten Trainerwechsel bei Rapid spielten sich genau so ab), muss man damit rechnen, dass ein Unbehagen bei der Mannschaft, das nicht in Gesprächen geteilt werden kann, einen Einfluss auf die Spielweise haben wird. Die Mannschaft spielt gegen den Trainer. Nicht, dass ein einzelner Spieler das so ausdrücken würde. Aber der Spielstil zeigt es. Ich frage mich daher, bei welchen Spielen oder Spielsituationen oder eben dann Ergebnissen man einen solchen unbewussten Protest der Spieler beobachten kann. Ist es zum Beispiel die Lustlosigkeit eines
Philipp Schobesberger, der vielleicht weniger als andere als Soldat seinem Job nachkommt sondern schon allein wie er sich bewegt zum Ausdruck bringt, dass er unter diesen Bedingungen nicht spielen will. Ein ähnlicher Spieler wäre
Marco Arnautovic. Bei seinem vorigen Trainer bei Westham wurde er wegen Lustlosigkeit ausgepfiffen, unter dem neuen Trainer hat er sich zum Erfolgsgaranten gesteigert.
Marco ist kein Soldat, der Befehle unreflektiert ausführt. Mein Eindruck von ihm ist, dass er wenig Anpassungsbereitschaft hat und er Unbehagen mit einer Situation im Spiel sehr deutlich zum Ausdruck bringt. Vielleicht ist unser
Philipp ein ähnlicher Indikator für eine Missstimmung?
Wenn wir nach Favoriten schauen oder zur Nationalmannschaft können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass in beiden Fällen der Erfolg unter dem alten Trainer stark nachgelassen hat und dass dafür das Vertrauen zwischen Trainer und Mannschaft verantwortlich war. Ist es nicht schade, dass man erst nach massiven Misserfolgen der Mannschaft auf ein Problem aufmerksam wird? Der Grund ist nach meiner Ansicht die geringe Einbeziehung der Spieler in solche Entscheidungsprozesse.
Auf-Und-Ab des Erfolgs
Einen klaren Aufwärtstrend kann man an der Fieberkurve des Erfolgs unserer Mannschaft nicht erkennen. Nach einem ziemlich durchschnittlichen Start kam ein hoffnungsvolles „Zwischenhoch“, das aber von einem Einbruch im dritten Viertel abgelöst wurde. Wie sich der jetzige sanfte Anstieg entwickeln wird, entscheidet wohl das Schicksal unseres Trainers.
Wer kennt sie nicht, die „Entscheidungsfragen“ bei Prüfungen. Wenn man als Prüfling an so einem Punkt angelangt ist, liegen Erfolg oder Misserfolg in der Hand einer einzigen Frage; und im Falle des Trainers hängt letztlich alles am Ergebnis eines bestimmten Spiels.
Der Herz sagt ja, das Hirn rechnet Punkte! Wer gewinnt?