Hartberg-Rapid

3:0 (2:0)

„Hoffentlich spielt Hartberg nicht so gut, wie man in Hartberg isst“ war das Lob mit dem sich Andy für das Service im VIP-Nord bedankte.

Blick in das Zelt des VIP-Nord

Wer hätte zu dem Zeitpunkt gedacht, dass das zutreffen würde! Es war ja von einem Pflichtsieg die Rede!

Die Rapid:Mannschaft wirkte so, als würde sie unter der Last der bald 120 Jahre auf den Schultern laufen. Die Abläufe waren schön einstudiert aber so ausreichend langsam dargeboten, dass es dem spritzigen Gegner ein Leichtes war, sich in die durchschaubaren Aktionen einzuschalten.

Rapid war wie ein Klavierschüler, der sein Programm nicht ausreichend schnell geübt hat und beim Konzert, bei vollem Haus, ins Schleudern kommt.

Übertrainiert? Auch das hat man in den Reaktionen gehört! Training muss enorm fordernd sein. Es muss mehr beanspruchen als es die Realität des Spielens kann. Kein Hösche! Oder besser: nicht nur Hösche!

Der Jahrhundertsportler Emil Zatopek, „die Lokomotive“, entwickelte einen später nach ihm benannten Trainingsplan mit dem er 1952 in Helsinki den 5.000-, 10.000-Meter- und den Marathonlauf gewann und mit dem er im 10.000-Meter-Bewerb während 38 aufeinanderfolgenden Rennen unbesiegt blieb. Aber abgesehen von der Trainingsmethode ist von ihm überliefert, dass er Trainings unter außergewöhnlich belastenden Bedingungen absolviert hat, also zum Beispiel durch Gewichte, die er beim Laufen mit sich schleppte. Überliefert sind Trainingstage, an denen er 40-mal 400 Meter (in 70 bis 80 Sekunden) in Militärstiefeln lief. Sein Leitspruch (der auch der von Rapidlern sein könnte): „An athlete cannot run with money in his pockets. He must run woth hope in his heart and dreams in his head.“

Statistiken

Die Seite der Bundesliga im Punkt Matchcenter zeigt uns ein nicht untypisches Bild. Über 60% Ballbesitz von Rapid aber im Punkt „Abwehr“ deutlich geringere Anzahl gewonnener Zweikämpfe und in der Offensive eine deutlich schlechtere Schussgenauigkeit.

Mannschaften bei Spielbeginn

Auffällig war, dass Andrei Ivan nach der Pause doch einigen Schwung in das Angriffsspiel von Rapid gebracht hat, und dass Boli seine Rolle als Außenverteidiger deutlich ausgebaut hat. Er war einfach nicht an der Seite zu halten und hat sich ob des offensichtlichen Debakels in die Mitte des Spielfeldes begeben, um den Druck erhöhen zu können. 

Kein Trainereffekt

Wenn eine Mannschaft mit einem Trainer nicht kann, dann bewirkt ein Wechsel eine gewisse Aufmerksamkeit, Erleichterung gepaart mit Hoffnung, sodass mit einer vorher nicht gekannten  Leichtigkeit gespielt wird und wir gewonnene Spiele eines neuen Trainers oft mit einem „Trainereffekt“ erklären. Nicht einmal so etwas wurde uns nach dem Trainerwechsel beschert. Die Mannschaft wirkte müde wie schon lange nicht.

Wenn durch den Trainerwechsel eine Last von der Mannschaft abfällt und sie danach befreiter spielt, wäre das ein Hinweis auf die Richtigkeit dieser Personalentscheidung. Doch da so etwas nicht beobachtbar ist, spricht das deutlich für die Arbeit von Gogo (oder wenigstens nicht dagegen) und dafür, dass die eigentliche Wirkung des Trainerwechsels zu Didi ist, eine nahezu unangreifbare Ikone auf der Trainerbank zu haben. Wir können nur hoffen, dass sich die Meisterschaft nicht wie unter Canadi entwickelt. Auch Canadi wurde ob seiner Erfolge bei Altach von Block nie angegriffen. 

Wir erlebten fast so etwas wie einen „negativen Trainereffekt“, denn unter Gogo haben wir so hoffnungslose Spiele eigentlich nicht erlebt.

Kommentatoren meinen, es würde viel Arbeit auf Didi warten. Ich meine, dass nicht mehr Arbeit auf Didi wartet als jedem anderen Trainer in seiner Lage auch. Das Mehr an Arbeit liegt weniger an der Trainingszeit, denn die kann man nicht beliebig steigern, es ist vielmehr das Rapid-Umfeld, das den Trainerjob doch etwas anders gestaltet als der Job anderer Trainer. Zum Beispiel gab’s am Mittwoch den Stammtisch, gefolgt vom gemeinsamen Frühstück mit Claudia Stöckl, und das sind nur die Termine, die wir kennen.

Rapid als Sprungbrett

Jede Mannschaft inmitten der „fußballerischen Nahrungspyramide“ *) braucht hungrige Spieler, Spieler, die es noch zu etwas bringen wollen. Und Rapid ist ihre Bühne, vor der weg sie engagiert werden wollen. Das waren Andy Ivanschitz, Jimmy Hoffer, Stefan Maierhofer, György Garics, Nikica Jelavic, Robert Beric, Veli Kavlak und Robert Kainz uvam. Rapid konnte sie zwar nicht halten, aber sie haben Rapid weitergeholfen und Rapid war der Steigbügelhalter für eine größere Karriere.

*) Die ganz großen „Endverbraucher“ wie Real, Barca, Bayern, Manchester usw. bekommen zwar Top-Spieler, die keine weitere Veränderung anstreben, aber auch dort wird deren Motivation ein nicht unwichtiges Problem sein.

Peter-Prinzip

Was keine Mannschaft braucht, sind Spieler, die in ihr eine Art Endstation sehen, eine Art Ruhekissen, etwas erreicht zu haben, das man immer schon gewollt hat. Ein fußballerisches Peter-Prinzip. 

Und es gibt solche Beispiele. Warum etwa ist Marvin Potzmann zu Rapid gekommen? Es war für ihn aus familiären Gründen vorteilhaft, in Wien sein zu können. Warum ist Deni Alar zu Rapid zurückgekehrt? Weil er hier einen besseren Vertrag bekommen hat. Aber beide haben keine weiteren Ambitionen. Ich will nicht unterstellen, dass sie das so handhaben, aber wir sehen ihr Spiel und immerhin ist es eine mögliche Erklärung für manche engagement-befreite Aktionen.

Es gibt natürlich auch jede Menge Gegenbeispiele von Spielern, die sich zu Stützen der Mannschaft entwickelt haben und die nicht unbedingt auf eine Auslandskarriere warten, wie beispielsweise Mario Sonnleitner.

Und Hartberg?

Hartberg hat ebenso wie Rapid eine Sprungbrett-Funktion, und das Spiel, das wir gesehen haben, hatte zur Folge, dass die Namen Florian Sittsam, Dario Tadic und Florian Fleckner, die Torschützen, in den Notizbüchern von Scouts Eingang gefunden haben und vielleicht schon in der nächsten Saison in der Karriereleiter weiter oben zu finden sein werden, denn Spieler, die Tore schießen können, sind eine begehrte Handelsware. Der Rapid-als-Gegner-Effekt, nämlich voll motiviert das Spiel des Jahres gegen den „Rekordmeister“ bei ausverkauftem Haus antreten zu können, beflügelt die kleinen Mannschaften zu großen Leistungen und alles das macht Spiele gegen vermeintliche Dorfklubs so schwer.

Choreografie

Der Block-West präsentierte eine Standard-Choreografie zu Beginn…

Choreografie bei Spielbeginn

…und grüne und rote Fackeln nach der Rapid-Viertelstunde. Der Block hat trotze der Pleite durchgehalten. Nach seinen Gesängen zu urteilen, hätte man meinen können, das Spiel wäre 3:0 für Rapid ausgegangen.

Was mir ein bisschen abgegangen ist, waren Rufe. „Gogo raus“-Rufe zum Beispiel. Warum? Sie hätten in selbstironischer Weise gezeigt, dass es nicht an einem abgründig schlechten Trainer gelegen haben kann, dass Rapid am 7. (jetzt 8.) Tabellenplatz liegt, sondern dass es etwas anderes sein muss, was Rapid-Spieler mit zu geringer Kampfkraft ausstattet. „Didi raus“-Rufe wird es wohl jetzt und in der Zukunft wegen des quasi Heiligenstatus der Ikone nicht geben, man könnte sie daher durch „Gogo rein“-Rufe prächtig ersetzen.

Da wir nunmehr einen Trainer mit sehr viel Kredit bei den Fans auf der Trainerbank sitzen haben, verlagerte sich die Kritik in den Massenmedien sofort in Richtung der Spieler, etwas, das unter Gogo nicht der Fall war. Aber es sind dieselben Spieler, und wenn sie heute für die Niederlage verantwortlich waren, dann waren sie es auch unter Gogo.

Die beiden Trainer im Interview vor dem Spiel

Ambiente

Hartberg ist in der Bundesliga, das Umfeld noch irgendwo anders. Aber es ist beachtlich, was man hier aus dem Boden gestampft hat.

Blick von der Haupttribüne auf das Spielfeld. Links das VIP-Nord, rechst die Hartbarg Fantribüne, gegenüber der Gästesektor

Alles irgendwie improvisiert, aber es ist vorhanden. Man hat sich bemüht, den Nachteil eines Stadions mit Laufbahn zu einem Vorteil zu verwandeln, indem man die neuen Tribünen auf die Laufbahn gestellt hat.

Behelfsmäßige Tribünen auf der Laufbahn

Der VIP-Bereich hat sogar ein Parkhaus. Es ist die Parkgarage des Spar-Kaufhauses.

Blick auf das das Zelt des VIP-Nord mit angeschlossener Tribüne, dahinter das Spar-Parkhaus

Als wir zum Eingang kamen, wurde unsere Karte eingescannt und wir bekamen ein grünes Armband.

Grünes Armband des VIP-Nord

Die Hartberger wissen, was sie ihren Gästen schuldig sind. Wahrscheinlich haben sie auch einen Satz violetter Bänder aber dem sind wir nicht weiter nachgegangen.

Der VIP-Bereich war ein Zelt mit einem Buffet und einer Getränkebar. Hungrige wären dort in ihrem Element gewesen. Es war nicht unbedingt das Fußballpublikum zu sehen, das wir in Wien kennen, die ländliche Umgebung bildete sich auch im Publikum ab. Aber alles das ist kein Nachteil, die Atmosphäre war entspannt und gemütlich. 

Das Highlight des Tages waren die Teller, die symbolisch für die allgegenwärtige Improvisation stehen. „Aus jedem Dorf ein Teller“, könnte man sagen. 

Tellersortiment wie bei der Großmutter. Gemütlich halt.

Glücklicherweise haben sich unsere „Gärtner“ auf der Heimreise von eine Kur in Villach auch als VIP-Gäste eingekauft und wir konnten bei ihnem am Tisch sitzen.

Dieses Nord-VIP, in dem wir gelandet sind, hat kein WC, man muss im Bedarfsfall zur Haupttribüne pilgern, das grüne Band war beim Rückweg ein Sesam-Öffne-Dich.

Eine dreiviertel Stunde vor Spielbeginn hat es uns aber nicht mehr im Zelt gehalten und wir wollten das Aufwärmen mitverfolgen. Unsere Reihe war die Nummer 6, Plätze 15 und 16. Die Reihe 6 gab es aber nur die Plätze 1-10 und 23-33, dazwischen war nichts. Auch einen Ordner gab es nicht. Also zurück an den Eingang, mit der Frage, wo wir denn unsere Plätze finden würden. Es stellte sich heraus, dass wir im falschen VIP-Zelt gelandet sind, unsere Plätze wären im „VIP der Präsidentin“ wie das Nadine, die Ordnerin genannt hat. Das grüne Band wurde uns abgenommen und wir pilgerten zur Haupttribüne und bekamen dort ein blaues Band.

Berechtigungsband für das VIP auf der Haupttribüne

Kommst Du einmal nach Hartberg zu einem Fußballspiel und möchtest eine VIP-Karte, dann nimm die im VIP-Nord. Es ist zwar etwas spartanischer aber dem Gedränge des VIP-Raumes der Haupttribüne kann man nur entgehen, indem man sich auf seinen Platz setzt. Eingekreist durch das fast komplette Rapid-Präsidium*) saßen wir da, flankiert rechts von Franco Foda

…und links von Geschäftsführer Christoph Peschek. Während man dem sehr aufmerksamen Franco Foda keine besondere Gefühlsregung anmerken konnte, war das bei den Präsidiums-Rapidlern natürlich ganz anders. Ein Tor gegen Rapid oder ein Fast-Tor für Rapid ist für sie ebenso niederschmetternd wie für uns. Ein Drama, das nicht hätte passieren dürfen. „Hätte doch der Spieler etwas anderes gemacht, aber eben nicht das, zu dem er sich entschieden hat.“ Eine interessante Erfahrung!

*) Josef Kamper, Mag. Nikolaus Rosenauer, Dr. Erich Haider, Thomas Waldner. Peter Klinglmüller und Christian Bruckner arbeiteten in der benachbarten Presse-Tribüne.

Brucki bei der Arbeit
Abwehrschilde der Polizei, für alle Fälle
Verirrter Ball am zeltartigen Stadiondach

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