Valencia 2. Tag
Ein geschichtsträchtiger Tag!
Wenn Rapid hier gut abschneidet, dann ist das natürlich geschichtsträchtig aber dieser zweite Tag war – auch ganz abgesehen von einer solchen Sensation – durch einen Ausflug nach Sagunto geprägt, einer 60.000-Einwohner-Stadt ca. 30 km nördlich von Valencia. Und diese Stadt war schon in vorrömischer Zeit ein strategisch wichtiger Ort, denn ein gut zu verteidigender Burghügel mit einer fast einen Kilometer langen Burganlage liegt inmitten der Altstadt. In der Altstadt wohnen etwa 20.000 Einwohner, 40.000 leben aber in der Gegend um den Hafen.
Schon bei der Fahrt nach Sagunto lernten wir Details des spanischen Lebensstils kennen. Entlang der Küste gibt es immer wieder große Wohnsiedlungen, die den Valencianern als Feriendomizil dienen. Der Grund ist, dass hier in Spanien die Kinder drei Monate Schulferien haben und es daher für die Eltern ein wichtiges Problem gibt: „wie beschäftigt man die Kinder?“ Die es sich leisten können, kaufen eine solche Wohnung und quartieren dort zum Beispiel die Großeltern ein, die dann einen Teil der Kinderbetreuung übernehmen.
Überall begegnet man den Folgen der Immobilienblase aus 2008. Das Wort, das damals geprägt wurde, heißt „disponible“, das man auch heute an so manchem Gebäude entdecken kann. Dieses Gebäude steht also „zur Verfügung“.
Auch in Sagunto (und wahrscheinlich auch in vielen anderen Küstenorten) hat die Krise voll zugeschlagen. Riesige Areale wurden vor 2008 von der Gemeinde aufgeschlossen und man erwartete Bautätigkeit; es kam aber die Bauflaute und daher stehen die Flächen auch heute noch unbenutzt und werden durch ein gespenstisches und ebenso unbenutztes Straßennetz durchzogen. (Im Bild im Hintergrund)
Auch das Stadion Mestalla, besser der geplante Nachfolger am Rande der Stadt ist ein Opfer der Immobilienblase geworden. Das neue Stadion ist im Rohbau seit 8 Jahren fertig aber die damals dem Projekt zugrunde liegende Spekulation, dass man den Neubau aus den Erlösen für das wertvolle Grundstück des innerstädtischen alten Mestalla finanzieren würde können, ist nicht aufgegangen. Niemand scheint zu wissen, wie es in dieser Sache weiter gehen wird. Es wird von einem weiteren, kleineren Neubau für die beiden Vereine Valencia und Levante gedacht. Bis es aber soweit ist, wird es an Spieltagen weiterhin zu einem Verkehrsinfarkt kommen, denn weite Teile der Innenstadt werden dann für den Verkehr gesperrt.
Im Bild sieht man die Bauruine des Mestalla-Neu , dessen in den Himmel ragenden Tribünen an das alte Stadion erinnern.
Das ist heute. Aber wie war das vor 2500 Jahren? Damals kannte Valencia noch niemand, denn es war damals wichtig, Gebiete zu besiedeln, die gut zu verteidigen sind und das war eben Sagunto. Bereits die Iberer, dann die Kelten benutzten den imposanten Hügel als Wehranlage. Erste tragische Berühmtheit erlangte die Stadt durch eine 8-monatige Belagerung durch die Truppen von Hannibal im Zweiten Punischen Krieg. Die Stadt galt als Grenze der Einflusssphären zwischen Rom und den Phöniziern. Und diese Grenze hat dann Hannibal überschritten. Es ging unterm Strich nicht gut aus für ihn uns seine Elefanten aber die Sagen erzählen, dass die Bewohner nach dieser Belagerung einen kollektiven Selbstmord begangen haben, statt sich zu ergeben. Dass sie es überhaupt so lange ausgehalten haben, verdankten sie der Anlage riesiger Zisternen in der Anlage. Wie es wirklich war, dürfte nicht bekannt sein aber nach der Sieg der Römer in diesem Krieg wurde die Stadt wegen der Tapferkeit ihrer Bürger zu einer vollwertigen römischen Provinzstadt mit einem Forum und einem imposanten Theater ausgestattet.
Die Bedeutung der Stadt war bis in die jüngere Geschichte so groß, dass man sie um 1900 als erstes hervorragendes historisches Ensemble benannt hat, lange von der Alhambra und anderen heutigen Sehenswürdigkeiten.
Wenn man zum Burghügel hinaufgeht, gelangt man zuerst zum Römischen Theater, das durch 4.000 Personen Platz geboten hat. Die damaligen Gepflogenheiten waren nicht ganz so unterschiedlich wie die heutigen im Stadion. Auf den besten Plätzen saß der Senat und Ehrenbürger, danach das gehobene Bürgertum, danach die Beamten und Soldaten, danach die gewöhnlichen Bürger. Als Unterscheidungsmerkmal galt das tragen einer Toga. Ganz zuletzt durften Sklaven zuschauen. Im Bild sieht man das imposante Theater etwa aus der Sicht der einfachen Bürger.
Dass damals nur Männer Theater spielen durften ist nur eines der Dinge, die uns heute in einem anderen Zusammenhang noch aufregen aber sie haben auch in unseren Wurzeln Tradition.
Die Burganlage selbst hat eine 2500 Jahre alte Geschichte. Die letzte aktive Nutzung erfolge im Spanischen Bürgerkrieg in den 30er Jahren. Die größte Zerstörung erfolgte in den napoleonischen Kriegen. Heute hat man vom Hügel eine hervorragende Aussicht auf das fruchtbare Umland.
Hier in der Gegend um Valencia ist das Zentralland des Orangenanbaus in Spanien und jetzt im Februar ist die Ernte schon vorbei und die Bäume beginnen wieder neue Blüten zu tragen.
Blieben noch Details zum Nebeneinander der drei Religionen der Juden, Christen und Moslems, die man in der Stadtanlage von Sagunto noch findet. Gleich hinter der kleinen Bar gegenüber dem Stadtmuseum beginnt das Judenviertel, gegenüber ist das maurische Viertel. Nicht heute, sondern damals vor mehr als 1000 Jahren. Als Schlüsselereignis dieses Kräftemessens zwischen Islam und Christentum gilt die
Schlacht bei Tours und Poitiers im Oktober 732. Seit diesem Zeitpunkt war der islamische Einfluss auf die iberische Halbinsel beschränkt. Aber diese Jahrhunderte bis etwa 1500 werden als durchaus partnerschaftlich zwischen diese Bevölkerungsgruppen beschrieben.
Erst die Zeit nach 1500 bedeutete für Nicht-Christen entweder die Bekehrung oder die Ausweisung. So wurden praktisch alle Mauren nach Afrika zurückgeschickt, mit schwerwiegenden Nachteilen für den lokalen Handel, der überwiegend von diesem Bevölkerungsanteil abgedeckt wurde. Schon damals (und nicht erst beim Schicklgruber) traute man konvertierten Juden nicht über den Weg, und verfolgte auch jene, die nicht den Christen bis zur Großmutter nachweisen konnten. Schutz fanden sie anfangs in dem durch Mauern eingeschlossenen Judenviertel.
Ein interessantes Detail aus dem Stadtmuseum sind die dort ausgestellten Amphoren. Die Frage ist, wozu der Spitz an ihrem Boden gedient hat. Diesen brauchte man beim Transport auf Schiffen. Das Schiff wurde mit Sand befüllt und die Amphoren steckte man in den Sand. Durch den Spitz konnten sie bei Seegang nicht umkippen.