Die Qual der Wahl

Dieser Text ist nach Gesprächen mit Rapidlern entstanden, sehr beeinflusst durch Hannes und Cornelius. Es geht um den neuen Präsidenten. Ich plädiere für Wien Energie. Da wir als interessierte Beobachter nur über stark eingeschränkte Informationen verfügen, kann natürlich alles ganz anders kommen.

Rapid ist auf Brautschau und sucht einen Präsidenten. Rapid hat einiges zu bieten und muss nicht jedes Angebot annehmen. War es vielleicht früher so, dass man froh war, überhaupt jemanden für dieses keineswegs einfache Amt zu finden, stellt sich heraus, dass Rapid im neuen Stadiongewand mit Österreichs größtem Business-Club eine „gute Partie“ ist; das sieht man schon an der Zahl der Bewerber. Bei dieser Brautschau scheint mir die Mitgift der Braut, also des zukünftigen Präsidenten, ein nicht unwesentliches Kriterium.

Um ein Unternehmen wie Rapid zu führen, ist Kompetenz in der Führung eines Wirtschaftsunternehmens gefragt. Präsidenten mit zusätzlicher Fußballkompetenz sind nicht wirklich notwendig, Fußballbegeisterung genügt schon, denn für das Geschäftsfeld „Fußball“ gibt es ohnehin Fachleute, die dieses Thema abdecken.

Da ein Fußballverein fast wie ein Fass ohne Boden ist, wäre es keine schlechte Randbedingung, dass unser neuer Präsident über die persönliche Qualifikation hinaus auch Hilfen für den Verein aufstellen kann.

Auch die Komponente der Tradition sollte man nicht außer Acht lassen. Rapid versteht sich als ein Fußballverein mit Wurzeln in der Arbeiterklasse und viele Anhänger – und durchaus auch der Autor – haben so ihre Probleme mit allzu dominantem Auftreten kapitalkräftiger Sponsoren.

Wer steht zur Wahl?

Rapid sucht also einen Präsidenten, und gleich drei Kandidaten stellen ein Angebot. Und der Verein hat die Qual der Wahl!

  • Es gibt den Millionär und Sponsor, der für Veränderungen eintritt, ein neuer Wind müsse bei Rapid wehen.
  • Es gibt den Vertreter des Stadion-Sponsors und bisherigen Finanzreferenten, der Bewährtes fortsetzen will.
  • Es gibt den Vertreter des Hauptsponsors, der die Gemeinde Wien gut kennt und dort angesehen ist.

Das Wahlkomitée

Die Präsidentenwahl bei Rapid folgt nicht den Gepflogenheiten einer politischen Wahl, wo jedes Mitglied zur Stimmabgabe aufgefordert ist und jede Stimme gleich viel zählt. Es können nur jene Rapid-Mitglieder mit entscheiden, die am Wahltag anwesend sind. Und zur Wahl werden nicht unbedingt alle oben genannten Kandidaten stehen, sondern nur jene, die das Wahlkomitée befürwortet, praktischerweise nur einer.

In den Satzungen steht dazu;

Dem Wahlkomitée obliegt die Aufstellung des Wahlvorschlags für das Präsidium als Liste(n) zur Abstimmung en bloc und für die Mitglieder des Kuratoriums sowie den Abschlussprüfers bzw. der Rechnungsprüfer zur Einzelabstimmung. Nach Möglichkeit besteht der Wahlvorschlag des Wahlkomitées für das Präsidium aus einer Liste, das Wahlkomitée hat aber auch die Möglichkeit zu beschließen, dass mehrere Wahlvorschläge zur Wahl bei der Hauptversammlung zugelassen werden. Diese sind bis spätestens drei Tage vor der Hauptversammlung der Geschäftsstelle zu übergeben. Erfolgt dies nicht oder nicht rechtzeitig, so sind von der Geschäftsstelle die bisherigen Funktionäre in den Wahlvorschlag aufzunehmen und der Hauptversammlung vorzulegen. Kandidatenlisten sind ausschließlich vom Wahlkomitée zu erstellen.

Vereinssatzungen gemäß Beschluss der Hauptversammlung vom 23.9.2013, Par. 12, Abs. 4.

Das Wahlkomitée soll also möglichst den geeignetsten und für Rapid günstigsten Wahlvorschlag wählen und die anderen ausscheiden.

Erinnern wir uns an die vorige Wahl. Damals kandidierten zwei Listen (Krammer, Kirisits), und nur die Liste Krammer wurde zur Wahl zugelassen, eine Entscheidung, die dann von den Mitgliedern mehrheitlich angenommen wurde,

Ob das Wahlkomitée 2019 wieder so vorgehen wird oder ob zwei oder gar drei Wahlvorschläge den Mitgliedern zur Auswahl stehen werden, wissen wir nicht. Allein aus der Formulierung in den Statuten könnte man aber ableiten, dass nur ein Wahlvorschlag gewünscht ist und die Option für mehr als einen Wahlvorschlag nur eine Möglichkeit „für alle Fälle“ ist.

Was würde passieren, wenn mehrere Kandidaten zur Wahl am 25. November zugelassen werden? Dann würden wahrscheinlich die Gruppierungen des Block West durch ihren hohen Organisationsgrad den von ihnen bevorzugten Kandidaten durchsetzen. Das kommt durch die Bestimmung zustande, dass nur die anwesenden Mitglieder wählen dürfen, und die allermeisten zuhause bleiben sowie durch das uniforme Wahlverhalten organisierter Gruppen. Die Mitglieder der Fanklubs im Block sind es gewöhnt und haben daher kein Problem damit, der Weisung der Capos zu folgen, also werden sie das auch bei einer solchen Wahl tun. Sie können in großer Zahl auftreten und damit ein Übergewicht für ihren Kandidaten herstellen.

An einem solchen Szenario kann man erkennen, dass eben das Wahlkomitée eine solche Kampfabstimmung durch eine Vorauswahl vermeiden soll.

Wen soll man wählen?

Dennoch können wir uns fragen, wen dieser drei Kandidaten wir mit unserem eingeschränkten Wissensstand bevorzugen würden. Was sollen wir uns wünschen? Natürlich das Beste für Rapid! Aber wer weiß schon, was das Beste ist?

Die Wurzeln

Rapid ist nach seinem historischen Selbstverständnis ein Arbeiterverein mit entsprechenden Bindungen zur Stadt und die in der Stadt 100 Jahre dominierende Kraft. Wir erinnern uns an die Präsidenten Benya und Edlinger, die in diesem Sinne als eine Art Idealbesetzung haben gelten können.

Rückblick

Mit Präsident Krammer erfolgte eine Hinwendung zur Wirtschaft. Der Arbeiterverein hat während der Präsidentschaft Krammer den Umsatz praktisch verdoppelt und das in erster Linie durch die Gelder aus dem VIP-Bereich. Als Immer-schon-begeisterter-Rapidler konnte Michael Krammer die für einen Präsidenten erforderliche Grundausstattung der Fußballbegeisterung sehr gut vermitteln. Synergien wie die von Rapid-Mobil sind Elemente, die sowohl für Rapid als auch für Krammers Telekom-Unternehmen ventocom von Vorteil waren und sind. Und auf solche Vorteile für Rapid wird man bei der Wahl des neuen Präsidenten auch schauen müssen.

Der Millionär

Roland Schmid (IMMO UNITED)

Ich kann beim Self-Made-Millionär solche Vorteile für Rapid nicht erkennen. Ein einfacher oder auch mehrfacher Millionär ist zu arm, um einem Fußballverein selbst aktiv unter die Arme greifen zu können. Und auch wenn er das könnte, wäre eine solche Abhängigkeit nicht das Ziel für einen Mitgliederverein.

Sein Geschäft, die Immobilienbranche, hat keine besondere Affinität zum Fußball. Ob er sein Engagement, Sponsoring einer VIP-Loge und der Rapidviertelstunde, noch mehr zu Gunsten von Rapid ausbauen würde, wissen wir nicht.

Dass er einschneidende Veränderungen herbeiführen will, wirkt populistisch. Dass Fans auf die Versprechungen von Veränderungen positiv reagieren, hat nur einen Grund: wir alle wollen den Erfolg im Fußball und meinen, dass die aktuelle Konstellation von Spielern, Trainern und eben auch des Präsidiums Schuld daran trägt, dass sich dieser Erfolg nicht einstellt. Wenn es andere Gründe für den fehlenden Erfolg gibt, Gründe die gar nicht in unserer Hand liegen oder die wir noch gar nicht erkannt haben, dann sind radikale Veränderungen eher eine ganz schlechte Idee. Wir alle erinnern uns mit Schrecken an gut gemeinte aber verunglückte Veränderungen und auch daran, wie lange es gedauert hat und immer noch andauert, die Folgen zu verarbeiten. Wir müssen uns nur umschauen, wie katastrophal sich Veränderungen bei anderen Vereinen auswirken können. Nur, wenn man langfristig Ruhe und Stabilität in den Verein bringt, kann man eventuell Früchte ernten. Auch Frank Stronach wusste ganz genau, wie man einen Fußballverein führt. Aber aus unseren eigenen Erfahrungen der letzten Jahre wissen wir, wie sensibel das Fußballgeschäft ist, insbesondere wie sensibel die Mannschaft auf Fehlentscheidungen reagiert.

Der Stadion-Sponsor

Martin Bruckner (Allianz)

Beim Vertreter des Stadion-Sponsors können wir damit rechnen, dass die Dinge so bleiben wie sie sind und dass die aktuell für den Sport Verantwortlichen weiter arbeiten können. Allerdings fehlen weiter gehende Perspektiven. Der Vertrag über den Stadionnamen ist bis ca. 2026 gültig. Da müsste sich die Versicherung schon sehr viel einfallen lassen, das dann als Mitgift für diese Heirat ausreichen könnte.

Bleibt der pensionierte Vorstand des Hauptsponsors, und erstaunlicherweise scheint diese Option die vorteilhafteste zu sein.

Der Hauptsponsor

Robert Grüneis (ASCR, früher Wien Energie)

Wien Energie ist eine ausgelagerte Firma der Gemeinde Wien. Und Rapid ist in Wien beheimatet und unser erster Ansprechpartner ist immer die Gemeinde. Egal ob es seinerzeit beim Bau des Hanappi-Stadions, seiner zweiten Überdachung, die Eigenbewirtschaftung des Stadions oder der heutige Neubau war und auch das Trainingszentrum so ein Projekt sein wird: ohne Zusammenarbeit mit der Gemeinde geht nichts. Gar nichts. Und derzeit ist diese Beziehung eher getrübt.

Wir können das an den Entwicklungen rund um das Trainingszentrum ablesen. Rapid kündigte ein 30-Millionen-Projekt an, und man fragte sich, von wo dieses Geld wohl hätte kommen sollen. Es gab nicht einmal einen Versuch, durch Mitgliederkredite einen Teil aufzustellen. Also musste Rapid wohl an einen Kredit gedacht haben. Aber wer borgt schon einem Fußballverein Geld, dessen Immobilienvermögen derzeit einer Bank gehört. Dazu braucht man schon einen gewichtigen Bürgen. Und das – so wird man sich das vorgestellt haben – könnte die Gemeinde sein. Doch die Gemeinde spielte da offenbar nicht mit, möglicherweise war ihr das Risiko zu groß und jetzt stehen wir mit dem Torso eines Trainingszentrum da. Rapid, der größte Fußballverein des Landes, wird ein kleines Trainingszentrum haben, der Ausbau wird hauptsächlich die Spielfelder und den Ausbau auf Bespielbarkeit in der 2. Liga enthalten aber die wesentlichen baulichen Elemente für die Akademie werden nach wie vor fehlen.

Desinteresse am Fußballsport seitens Gemeinde hat sich auch schon in der Haltung zu einem Nationalstadion gezeigt und findet beim Trainingszentrum von Rapid nur seine Fortsetzung. Warum auch immer das so ist, ein Präsident mit Verbindungen zur Baustelle „Gemeinde“ könnte Rapid echt helfen, auch wenn er selbst – ähnlich wie seine prominenten Vorgänger Benya und Edlinger – seine ursprüngliche Funktion bei Wien Energie nicht mehr wahrnimmt, sich aber gerade deshalb viel mehr auf die Präsidentschaft bei Rapid konzentrieren kann.

Was ich mir wünsche

Eine Kampfabstimmung bietet organisierten und teilweise auch radikalen Fangruppen unverhältnismäßige Vorteile, daher bitte keine Kampfabstimmung! Das Wahlkomitée verfügt über Informationen, die wir alle nicht haben und wir müssen diesen sechs Personen vertrauen, dass sie die richtige Vorauswahl treffen. Das Wahlkomitée sollte den geeignetsten und für Rapid vorteilhaftesten Kandidaten zur Wahl vorschlagen.

Ein neuer Rapid-Präsident sollte nicht ohne „Mitgift“ kommen. Der neue Präsident sollte auch das Potenzial mitbringen, dem Verein helfen zu können. Dazu scheint der Kandidat des Hauptsponsors, die besten Perspektiven zu bieten.

Links

Nachtrag

Je weniger man über eine Sache weiß, desto einfacher die Entscheidung. Das hat schon Anselm Feuerbach trefflich formuliert: „Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete. Er kennt weder Gründe noch Gegengründe und glaubt sich immer im Recht.

Trainingszentrum

Die Aspekte rund um den „richtigen“ zukünftigen Präsidenten sind vielschichtig. Der Aspekt rund um das neue Trainingszentrum wurde von Rapid in Videos zusammengefasst:

Kontinuität

Spieler berichten Interviews von einem neuen Teamgeist und man hat das Gefühl, als beginne sich eine gefühlte Negativspirale wieder langsam in die positive Richtung zu drehen. Die Bevorzugung von Eigenbau-Spielern, ihre überraschend positive Bewertung durch Didi lässt die Besucher hoffen. Die sportliche Leitung strotzt nur so von Kompetenz, etwas, das man vor einigen Jahren als „zu wenig“ kritisiert hat.

Wovor ich mich als Rapid-Mitglied fürchte, dass ein neuer Präsident auf die Idee kommt, alles ändern zu wollen – wie das in Zeitungsberichten kolportiert wurde. Dass also Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit wieder rückgängig gemacht werden könnten und die sich abzeichnende Kontinuität und Stabilität im Team wieder nur ein kurzer Hoffnungsschimmer gewesen sein könnte.


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