Weihnachtsfeier, Teil 1

Für ein Rapid-Mitglied besteht die Rapid-Weihnachtsfeier aus zwei Teilen, einem Tag, an dem man die Karten besorgt und dann den Tag der eigentlichen Weihnachtsfeier. Gestern, Samstag, 29.11. war der erste Teil.

Wegen der großen Nachfrage landete die Weihnachtsfeier nach Gastspielen in der Stadthalle und im Gasometer schließlich in der Eventpyramide Vösendorf und wird dort seit 11 Jahren veranstaltet. Das Platzangebot ist auf etwa 1700 Plätze beschränkt und daher wird in einem ersten Teil ermittelt, wer überhaupt teilnehmen kann.

Wir waren in jedem Jahr in der Event-Pyramide dabei. Nicht immer auf einem so tollen Platz wie heuer, aber das große Rapid-Fest ist für uns ein Fixpunkt in der Vorweihnachtszeit geworden.

Der Kartenvorverkauf beginnt an einem Samstag um 9:00 und zu diesem Zeitpunkt sind bereits etwa 80 Rapid-Mitglieder in einer langen Schlange angestellt, alle brauchen sie natürlich mehr als nur einen Platz, meist ganze Tische für den Fanclub. Mit der Wartenummer 80 bekommt man seine Plätze schon ziemlich weit hinten im Saal.
Warteschlange am Samstag um 7:00
Weil ich für 30 Personen Karten besorgen sollte, teils für den „Klub der Freunde“, teils für „EwkiL:Rapid“, wollte ich mir als Pensionist nicht nachsagen lassen, ich hätte mich zu spät angestellt und daher begab ich mich schon am Freitag Nachmittag in die Keisslergasse und positionierte dort meinen Gartensessel mit Decke und einem Heizstrahler, denn Ivica Viskup war so nett und legte mir einen Stromanschluss nach draußen. Ich konnte nicht nur den Heizstrahler betreiben sondern konnte auch mit meinem Laptop arbeiten; ja, aber nur bis zum Eintreffen der ersten Platzkonkurrenten, denn es gibt unter Fußball-Anhängern eine Menge zu erzählen und dabei ist ein Computer eher störend.
Keisllergasse, Freitag 14:00
Dieses Kartenritual besteht schon seit vielen Jahren und die dort versammelten Rapidler kennen einander schon gut. Im heurigen Jahr gab es aber die Besonderheit, weil das Hanappi-Stadion nicht mehr an seinem Platz stand. Wir saßen also am „Friedhof von St. Hanappi“. Das wird sich im nächsten Jahr nicht mehr wiederholen, denn zu diesem Zeitpunkt wird die derzeit freie Sicht auf die etwa 200 Meter entfernte Linzerstraße schon durch den Neubau verdeckt sein.
Blick von der Keisslergasse zur Linzerstraße
Diese Anstellerei gehört schon zu den verrücktesten Sachen, die man sich als Fußballfan antun kann.

Zu erleben, wie die letzten Mitarbeiter von Rapid, kopfschüttelnd die Geschäftsstelle verlassen und uns Mut zusprechen; zu sehen wie der Straßenverkehr langsam abnimmt, sich das Stags-Head langsam mit Gästen füllt; wenn ein Auto mit einer auffälligen Dachgalerie auftaucht, die sich wie von Geisterhand bewegt und einen Rollstuhl neben dem Auto absetzt. Der Fahrer schwingt sich in den Rollstuhl, fährt damit routiniert ins Lokal und nimmt an der Karaoke-Show teil. Wenn immer wieder einer aus unserer Runde ins Stags-Head verschwindet und dort erstaunt in die Karaoke-Show hineinplatzt; wenn sich diese Mikro-Events in umgekehrter Reihenfolge wiederholen. Wenn die Lichter im Hütteldorfer-Bad ausgeschaltet werden, wenn die letzten Nachtschwärmer mehr oder weniger nüchtern, den Eingang zum Stags-Head suchen und vor verschlossenen Türen stehen, wenn man dann doch – Kälte hin oder her – einschläft aber gleich danach wieder vom ersten Autobus geweckt wird. Ein Rapidler, der im Bundesheer-Schlafsack wie ein Pinguin durch die Gegend watschelt, solche mit beheizten Schuheinlagen und daneben andere, ohne jeglichen Kälteschutz, wenn Martina als erste wieder in die Geschäftsstelle kommt und wir alle auf Andy warten, der schließlich der Warterei ein Ende bereitet, schnell noch einen Kaffee im Stags-Head trinken und um 8:30 geht’s los mit der Kartenverteilung.
Jeder vergebene Sitzplatz wird auf einem großen Tischplan markiert (Bild aus dem Vorjahr)
Eigentlich hätten wir vereinbaren können, bis zur Sperrstunde im Stags-Head zu bleiben aber alle sind soweit Sportler, dass sie diese Herausforderung der Langeweile und Kälte auf sich nehmen. Niemand murrt über das sonderbare Procedere. Alle wissen, der Lohn sind die besten Karten beim größten Fest des besten Fußballklubs der Welt.

Die allgemeine Stimmung wird natürlich von den Ergebnissen der letzten Spiele beeinflusst aber auch ein momentanes Tief tut diesem Wunsch nach einem gemeinsamen Erlebnis keinen Abbruch. Denn es ist so, wie es Domenico bei der Hauptversammlung als Ergebnis der Auswertung der Fragebögen gesagt hat: ja, bei Rapid geht es um Fußball aber mehr noch um Gemeinschaft. Und jedes dieser vielen gemeinsamen Erlebnisse vertieft diese Gemeinschaft und verbindet Bevölkerungsschichten, die anderswie kaum unter einen Hut zu bringen sind.

Eigentlich geht es bei der Anstellerei nur darum „wo“ man sitzt, denn Karten gibt es für alle, die persönlich kommen, genug. Würde es daher keine Wartenummern geben und würden sich alle Interessenten einfach um 9:00 treffen, müsste man nur ein Verfahren erfinden, das eine Reihenfolge bei der Zuteilung der Tische ermöglicht.

Ein Weihnachtsfeier-Abo-Platz
So wie im Stadion behält man seinen einmal zugewiesenen Platz wie ein Abo auch im nächsten Jahr. Es wird also nicht jedes Jahr neu zugeteilt sondern ein einmal belegter Platz bleibt im Besitz des Abonnenten.

Versteigerung
Oder es gibt eine Versteigerung. Dann würden die besten Plätze von jenen ersteigert, die eben bereit sind, mehr Geld dafür auszugeben. Man könnte auch gleichzeitig Preiskategorien einführen.

Verlosung
Oder es gibt eine Verlosung, die mit der Zuteilung ganzer Tische beginnt und dann auf den Resttischen die Einzelkarten zuweist.

Mitglieder-Ranking
Schließlich wäre auch denkbar, dass man aus der Beziehung eines Mitglieds zum Verein ein Mitglieder-Ranking ableitet, die eine Reihung ermöglicht. Dann wären zum Beispiel altgediente Mitglieder, „Ein Leben lang“-Mitglieder, Mitglieder, die auch Abonnenten sind, Mitglieder, die sich am Merchandising beteiligen usw. eher weiter vorne gereiht. Wenn also ein Mitglied gerade eintritt, dann ist es in dieser Mitglieder-Hierarchie eher weiter hinten. Mit jedem weiteren Jahr der Mitgliedschaft oder auch mit einem Abo steigert man seine Punkte-Zahl im Mitglieder-Ranking und sitzt dann weiter vorne. Es ist ja auch bei der Hauptversammlung so, dass Jungmitglieder noch kein Stimmrecht besitzen.

Aber alle diese Zuteilungs-Mechanismen erschweren, dass befreundete Mitglieder an einem Tisch sitzen können, sodass schlussendlich doch die Anstellerei und die immer wieder neue Zuteilung der Plätze jener Weg ist, der uns, einem Pensionisten, einer Volksschullehrerin und einem Fabriksarbeiter die besten Plätze im Saal beschert.
Die drei von der Geschäftsstelle

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