Kurzbericht zur England-Reise 2010

Was immer man auf der Insel unternimmt, man lernt das Englische (nicht nur die Sprache auch die englische Seele und Denkweise) kennen auch wenn man mit den Details ihrer Sprache so seine Schwierigkeiten hat.

Meine Lehren daraus: man sollte die vielen guten Seiten der Engländer kopieren, wo es geht – und über die, die uns weniger gut gefallen, am besten schmunzeln.

Es ist sicher kein Zufall, dass wichtige Ideen des 20. Jahrhunderts ihren Ursprung im England des 19. Jahrhunderts haben (Kapitalismus, Marxismus, Liberalismus, Sport). Dass sich der Fußball dann verbreitet hat und in jedem anderen Land gewisse Eigenheiten entwickelt hat, das wissen wir, aber in England scheint mir, dass man die ursprüngliche Haltung zum Sport und zum Fußball am besten bewahrt hat.

Wenn man heute die Zustände in den englischen Stadien teilweise bewundert, teilweise ablehnt, dann muss man immer die Ereignisse der Hillsborough-Katastrophe 1989 vor Augen haben, die dazu geführt hat, dass sich die Bauvorschriften in den Stadien und auch die Verhaltensregeln stark geändert haben. Die Zeiten, als ein berittener Polizist im Wembley-Stadion mit 200.000 Besuchern Ordnung schaffte („White Horse Bridge“), sind vorbei. Im Old Trafford-Stadion haben wir etwa 500 Stewards zählen können, Polizei und Stewards außerhalb des Stadions gar nicht mitgerechnet. In das Old Trafford-Stadion gibt es geschätzte 100 Eingangstüren, die zu jeweils anderen Teilen des Stadions führen. Jeder Teil für sich ist vergleichsweise überschaubar und von den anderen getrennt mit eigener Kantine, eigenen Toiletten, eigenen Stiegenhäusern. Zu unseren Sitzplätzen (die übrigens gepolstert waren und warum, das wissen wir auch: für das Spiel gegen Westham werden nicht so viele Hospitality-Karten abgesetzt und daher verkauft man diese Sitze im freien Verkauf) führen zwei Treppen: eine schlichte Beton/Stahl-Konstruktion als Doppelwendel ausgeführt für das einfache Volk und eine zweite, vor der natürlich ein Steward steht, bei der die Wände und der Boden getäfelt sind für das Noch-Mehr-Zahlende Volk, die VIP-Gäste. Ein Führer an der Anfield Road, dessen Erklärungen wir zufällig folgen konnten, hat sinngemäß erzählt, dass allein die Kop-Tribüne 38.000 Menschen Platz geboten hat (Stehplätze) und dass es für sie genau 3 Toiletten gab. Zwischen Rasen und den Stehplätzen gab es nach den Spielen regelmäßig einen gelben Bach…

Das Unglück in Hillsborough 1989 war auf drei Dinge zurückzuführen: das immense Interesse am Fußball in England; Gitter zwischen Spielfeld und Zuschauerraum (diese waren zwar bei internationalen Begegnungen auf Grund der Heysell-Katastrophe bereits entfernt worden aber dieses Spiel war ein lokaler Cup und für dieses Stadion galten die internationalen Regeln noch nicht), schlechte Logistik beim Öffnen der Gates. Seither haben die Stadien in England untereinander eine große Ähnlichkeit; man meint, dass derselbe Architekt am Werk war. Es sind aber die Bauvorschriften, die diese Gleichheiten bewirken.

5 Spiele an 4 Tagen zu besuchen ist nur möglich, wenn die Spiele (erzwungen durch die Fernsehübertragungen) an verschiedenen Tagen stattfinden. Der Raum Manchester (in der Nähe: Wigan, Bolton, Blackburn, Blackpool, Liverpool, Bradford, City, United) ist dafür ideal geeignet, sowohl für Bahn- als auch für Autofahrer. Beides probiert, Auto ist natürlich flexibler, wenn auch nicht unproblematisch. Wenn man eine der großen Mannschaften sehen will, dann ist wegen der Kartenbeschaffung einfacher, eines ihrer Auswärtsspiele zu besuchen (Wir haben Arsenal in Blackburn gesehen; umgekehrt wäre das viel schwieriger).

Karten

  • Bradford: vor Ort, kein Problem. 20 Pfund.
  • Blackburn: via Webseite, Anmeldung genügt, bei Spitzenspielen wie Arsenal wird nur eine Karte pro Anmeldung abgegeben. Wenn man meint, man könne einfach den Namen austauschen (anderer Vorname) der irrt, denn dann verweigert das System die Karte. Ich musste meinen Schwiegervater mit ganz anderer Adresse angeben, dann hat es geklappt. Die Karten können am Spieltag im Fanshop abgeholt werden. 
  • Manchester United: Unser Spiel gegen Westham war kein Spitzenspiel, daher gab es online etwa 14 Tage vor der Begegnung noch Karten. Preis 58 Pfund. Karten wurden zugesendet.
  • Liverpool: Es gibt dort praktisch für kein Spiel Karten, das Stadion fasst 41.000 Zuschauer und ist praktisch immer ausverkauft. Einziger Ausweg: Hospitality-Karten. Schweigen wir über den Preis. Dann kommt noch dazu, dass in der Einladung steht: dress code: smart/casual no shorts, no jeans. Und wie soll man das als Tourist schaffen? Wir waren kurzerhand in einem Wall Mart und kauften zwei schwarze Hosen und Schuhe. Und mit dem Preiszettel auf der Hose kamen wir zum Hospitality-Zirkus. Eine (in Liverpool) bekannte Legende des Klubs plauderte über Details seiner Fußballerkarriere. Hier ärgert man sich, dass man zuerst in der Schule zu wenig aufgepasst hat und dann im Lauf des Lebens zu wenig Sprachpraxis gesammelt hat, um die Pointen zu verstehen. Wir haben’s aber bei Ente und Schwertfisch überlebt und danach ein zweifellos tolles Erlebnis in der Anfield Road beim Spiel gehabt. Auf der Webseite steht zwar, dass die Karten 10 Tage vor dem Spiel zugesendet werden (bei Reisen kann das knapp sein); wir haben auch (vergebens) darauf gewartet. Es stellte sich heraus, dass die Karten hinterlegt sind – in dem kleinen Portierhäuschen unmittelbar neben dem Hintereingang zum Stadion, bei dem Liverpooler Pendant von Frau Salzer.

Kommerz

Der Grad der Kommerzialisierung ist sehr groß, weil auch der Geldbedarf der Riesenklubs so groß ist. Ein paar Konkurse als Schuss von den Bug würden der Szene vielleicht gut tun, vielleicht so wie die seinerzeitigen Stadion-Unglücke ein Umdenken beim Stadionbau und -organisation bewirkt haben.

Stimmung im Stadion

Noch etwa 15 Minuten vor Spielbeginn glaubt man, dass das Stadion leer bleibt. Doch wie durch ein Wunder ist dann beim Anpfiff doch alles versammelt. Eine Unsitte ist es, dass sowohl einige Minuten vor der Pause und fast eine Viertelstunde von Matchende eine Abwanderung einsetzt; ziemlich unabhängig vom Spielstand.

Es gibt Stadionansager aber man darf sich diese nicht in der persönlichen Art von Andy Marek erwarten.

Die Auswärtsfans wirken stimmlich und organisatorisch fast immer besser als die Heimfans.

Oft wird am Anfang eine Hymne gesungen (Bradford, Blackburn, Manchester U., Liverpool). Sehr eindrucksvoll: „Glory glory Man United..“ und „You’ll never walk alone…“ in Liverpool. Das war’s aber im Allgemeinen schon. Das Publikum geht mit, beklatscht auch Szenen, die bei uns Unwillen auslösen (Rückpässe) aber einen guten organisierten Support konnten wir nur bei Southend und West Bromwich hören. (West Bromwich ist übrigens ein Stadtteil von Birmingham wie Aston Villa). Es war irgendwie enttäuschend, dass man auf der Anfield Road die Gäste lautstark und in einem guten Kollektiv singen hörte aber das Heimpublikum (auch auf der Kop-Tribüne) dem nichts entgegensetzen konnte.

Was müsste es aber für einen englischen Fußballfan für ein Erlebnis sein, ein voll besetztes Hanappi mit Choreografie auf Ost und West und RAPID in Spiellaune zu erleben? Er wird es nicht erleben, denn er weiß nicht, dass es das gibt. Dortige Medien berichten wenig über kontinentalen Fußball.

Beziehung Spieler – Fan

Die Begrüßung der Spieler auf dem Spielfeld zum Aufwärmen ist – entsprechend der geringen Zuschauerzahl im Stadion – lau. Die Verabschiedung ist sonderbar: die Heimmannschaft geht in die Kabine; wortlos. Am ehesten die Gastmannschaft bedankt sich bei den mitgereisten Fans. Fast hat man das Gefühl, dass sich die Spieler ärgern, dass bei Spielende praktisch 20% der Zuschauer schon weg sind.

Die Distanz zwischen Spielern der Großklubs und den Fans ist sehr groß. Ein Autogramm zu erhaschen ist nicht so einfach wie am Tag der offenen Tür bei RAPID. Da muss man sich als Fan nach dem Spiel anstellen und nur einige von denen bekommen dann vielleicht ein Autogramm. In Old Trafford wurde Wayne Rooney von seiner Frau abgeholt und er trug sein Kind (bewacht von Security) zum Wagen und fuhr dann davon. Den haben wir wenigstens gesehen. Ebenso Giggs, der einige Autogramme geschrieben hat. Die anderen Spieler bekommt man aber gar nicht zu Gesicht. Ein Security-Mann fährt einen Wagen vor den Spielerausgang, der Spieler steigt ein, man sieht ihn gar nicht, weil man immer auf der falsche Seite steht und der Wagen verdunkelte Scheiben hat – und weg ist er. Eines dieser Superautos war ein Lamborghini.

Parken bei Stadien

In Birmingham haben wir voriges Jahr eine Straße gefunden, die in 15 Gehminuten vom Stadion Villa Park entfernt ist und auf der man frei parken darf. In allen anderen Gegenden um das Stadion ist das Parken entweder ständig oder zumindest für die Spieltage verboten. Dafür bieten Besitzer größerer Grundstücke Parkplätze um 5 Pfund an. Dasselbe gilt für die anderen Stadien. Höchster Preis in Liverpool: 12 Pfund. Wir haben es nicht ausprobiert aber ich vermute, dass fremde Fahrzeuge von den Anreinern angezeigt werden.

Was ist Wien für eine tolle Stadt, dass man sich kostenlos vor ein Stadion oder sonst wohin stellen kann und wenn dort kein Platz ist, dann eben zum Zielpunkt gegenüber.

Was für alle unsere Spiele gilt, die wir bisher in England gesehen haben: die besten am Spielfeld sind die Schiedsrichter. Sie zerpfeifen Spiele nicht. Man könnte meinen, dass der Grund die besondere englische Fairness der Spieler wäre aber das glaube ich nicht. Der Grund dürfte sein, dass kleinere Vergehen nicht geahndet werden. Das hat zur Folge, dass die Spieler gar nicht auf die Idee kommen auf „Toter Mann“ zu spielen. Auch wenn es einmal nur humpelnd weitergeht, gepfiffen wird nur bei gröberen Attacken, dann aber natürlich auch mit Einsatz von Karten. Diese Vorgangsweise lässt die Aktionen flüssiger erscheinen und erzieht die Spieler sonderbarerweise zu fairerem Spiel als das ständige Ahnden kleiner Wehwechen, denn das erzieht dazu, Fouls vorzutäuschen.

Bradford City – Southend 0:2

Wer kennt Bradford? Immerhin zwei Mal so groß wie Graz und ein 25.000er Stadion. Die Mannschaft war auch schon einmal in der Premier League, dümpelt jetzt aber in der League Two herum (das ist eigentlich die 4. Liga nach Premier League, Champion-Ship und League One) herum und eigentlich hätten wir uns einen Heimsieg gegen Southend erwartet. Es kam aber anders. Die Gäste siegten klar mit 2:0 und hatten auch den bedeutend besseren Fan-Support mitgebracht. Der Grund: Southend ist gerade heuer von der League One abgestiegen und dürfte die die Bradforder Truppe ein etwas zu starker Gegner sein.

Der Besuch war mit 10.000 Zuschauern beachtlich; auch die Hälfte der Sky-Boxen war belegt.

RAPID könnte ein solches Stadion gut gebrauchen! Angeschlossen ist ein universelles Klubhaus mit Fanshop, Museum und Kantine. Über die Auswahl der Fanartikel ist man erstaunt; es ist aber eine der üblichen Kooperationen zwischen Ausstatter- und Fanshop. Der Ausstatter verkauft seine Kollektion aber auch die speziellen Stücke des Klubs Bradford City. Der Reiz der Kantine hält sich in Grenzen; es gibt kein Bier, dafür Pies mit Bohnensauce. Das Publikum ist eher von der Sorte „Familie“. Der eigentliche Fansektor ist nicht voll und hat nicht einmal so viele Mitglieder wie die mitgereisten Fans von Southend.

Blackburn – Arsenal 1:2

Ähnliche Situation wie in Bradford. Das Heimpublikum singt eingangs seine Hymne, danach gehört das Stadion den mitgereisten Arsenal-Fans. Als Heimchoreografie wird eine große Fahne über die Haupttribüne gezogen. Blackburn ist ein ebenbürtiger Gegner, eine tolle Leistung für eine 100.000-Einwohner-Stadt. Parken auf einer Pferdekoppel in der Nähe des Stadions; 5 Pfund. Arsenal siegt, der Sieg ist aber nicht besonders klar; ein Unentschieden wäre auch möglich gewesen.

Manchester United – Westham 3:0

Tore Rooney(E), Berbatov, Nani. Klarer Favoritensieg. Gewaltige Kulisse.

Liverpool – West Bromwich 1:0 (Torres)

Ein knapper Sieg, dem Spielverlauf entsprechend. Schnelles, abwechslungsreiches Spiel mit Chancen auf beiden Seiten und etwas mehr Druck von Liverpool. Erster Sieg in der Saison. Wir saßen auf dem legendären Main Stand auf den Klappsitzen der Frühzeit; sehr eng.

Einem Meistertitel werden die Liverpooler wohl noch weiter hinterher jagen. Der Stadionbau wird schon seit Jahren angekündigt. Derzeit werden die sehr verwahrlosten und zum Großteil schon verlassenen Reihenhaussiedlungen der Umgebung abgerissen und auch das Stadion soll der Spitzhacke zum Opfer fallen. Der Neubau wird im benachbarten Stanley-Park geplant. Reste des alten Main Stand und des Rasens sollen als Teil eines Wegs zum neuen Stadion erhalten bleiben.

Ob das aber alles Realität wird, hängt von der Überwindung der augenblicklichen Besitzerkrise bei Liverpool zusammen.

Diese Spiele waren alle sehr schön anzuschauen, sehr interessant aber das beste Spiel, das sahen wir bereits am ersten Tag, das Spiel RAPID – Aston Villa.

Danke RAPID!

Schreibe einen Kommentar